Die Chroniken von Amarid 03 - Das dunkle Herz von Lon Ser
konnte Leute zum Lachen bringen und sie damit zwingen, die Dinge ein bisschen weniger ernst zu nehmen. Jaryd hatte sich deshalb in sie verliebt. Und da er wusste, wie sehr diese Liebe erwidert wurde, beunruhigte es ihn nicht, dass Orris vielleicht auf einer gewissen Ebene dasselbe passierte.
»Ich habe einen Spaziergang gemacht«, erklärte Orris, und seine mürrische Stimmung kehrte zurück, als er sich neben Jaryd auf die Bettkante setzte. »Ich musste einen klaren Kopf bekommen.«
Alayna setzte sich auf den Stuhl am Fenster und warf mit einer Kopfbewegung das lange, dunkle Haar zurück. »Und? Hat es was genützt?«
Der Magier schüttelte den Kopf und verzog das Gesicht. »Nein. Ich fürchte, dazu braucht es mehr als einen Spaziergang.«
»Ich glaube nicht, dass Sonel es respektlos meinte«, versicherte sie ihm.
Wieder schüttelte Orris den Kopf. »Davon bin ich überzeugt«, stimmte er ihr zu. »Das ist es auch nicht, was mich so stört.« Er sah Jaryd an, als wollte er vorwegnehmen, was der jüngere Mann nun sagen würde. »Ja, es hat mich in dem Augenblick gestört, als es passierte, aber ich verstehe, wieso sie nicht wollte, dass ich etwas sagte.« Er brachte ein bedauerndes Grinsen zu Stande. »Was ich hatte sagen wollen, wäre tatsächlich nicht sonderlich konstruktiv gewesen.«
Jaryd und Alayna kicherten, und nach einiger Zeit fuhr Orris fort.
»Mir ist gestern Abend, als wir uns unten unterhalten haben, aufgefallen, dass ich einfach nicht mehr daran glaube, dass der Orden einen Kompromiss erreichen wird«, sagte er, den Blick fest auf den Boden vor sich gerichtet, und kraulte sanft das Kinn des dunklen Falken auf seiner Schulter. »Was ich heute gesehen habe, hat nur dazu beigetragen, meine Zweifel zu vergrößern. Die Fraktionen sind viel zu weit voneinander entfernt, und niemand versucht auch nur, die Kluft zu überwinden.«
»Alayna und ich sind gestern Abend zu dem gleichen Schluss gekommen«, sagte Jaryd, »nachdem wir uns von euch verabschiedet hatten. Aber was können wir schon dagegen tun?«
Orris blickte bei diesen Worten auf und sah Jaryd kurz an, bevor er sich wieder abwandte. »Ich bin nicht sicher«, erwiderte er. »Ich wünschte, ich wüsste eine Antwort, aber ich weiß keine.« Die Anspannung in seiner Stimme und der kurze Blick sagten Jaryd allerdings, dass Orris mehr über die Frage nachgedacht hatte, als er nun preisgab. »Und warum bist du nun hergekommen?«, wagte sich Jaryd vor.
Wieder schaute Orris ihn an, diesmal nachdenklich. »Wie kommt es eigentlich, dass ihr beide, dein Onkel und du, mich so gut versteht?«
»Mein Onkel? Was hat Baden damit zu tun?«
Der große, kräftige Mann schüttelte den Kopf. »Das ist jetzt egal.« Er holte tief Luft. »Ich bin hier, weil ich Freunde brauchte. Und ihr beiden seid meine besten Freunde.« »Das ist traurig«, sagte Alayna. »Wir mögen dich nicht mal.«
Alle drei lachten, und Orris griff nach einem der Kissen und warf es nach Alayna.
»Ich könnte ein Bier vertragen«, sagte er, nachdem das Lachen verklungen war. »Und ein bisschen Gesellschaft.« Es wurde sehr spät an diesem Abend. Trahn und Baden betraten den Schankraum gerade, als Jaryd, Alayna und Orris die Treppe herunterkamen, und die fünf Magier tranken ziemlich viel Bier und verbrachten zum ersten Mal seit langer Zeit wieder einen Abend damit, herumzualbern und einander Geschichten zu erzählen, statt sich um die Probleme des Landes und des Ordens Sorgen zu machen. Es fühlte sich wie ein kleines Fest an, dachte Jaryd, als er und Alayna schließlich zum zweiten Mal an diesem Abend auf ihr Zimmer gingen. Und es hatte Orris offenbar sehr gut getan. Und auch Baden. Diese Versammlung war sehr schwierig für ihn gewesen, und Jaryd war dankbar zu sehen, dass sein Onkel wieder einmal lachte. Aber als sich Jaryd neben Alayna niederlegte, die sofort eingeschlafen war, dachte er nicht mehr über die angenehme Zeit in der Gaststube nach, sondern an das kurze Gespräch mit Orris, besonders an die seltsame Bemerkung des Magiers, wie sehr Baden und Jaryd ihn doch verstünden. Jaryd wusste, dass das etwas Wichtiges zu bedeuten hatte, dass es mit der nachdenklichen Stimmung zu tun hatte, in der Orris sich befunden hatte, als er auf ihr Zimmer gekommen war. Aber er war müde, und Amari-Bier trug nie dazu bei, seine Gedanken klarer zu machen. Er schlief ein, bevor er Orris' Bemerkung besser verstanden hatte.
Die Sitzung des nächsten Tages, des letzten Versammlungstags, begann, wie
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