Die Chroniken von Amarid 04 - Die Retterin des Landes
brauchen.«
»Nein?«
Sie sah ihn mit diesem wunderbaren undurchschaubaren Lächeln an. »Nein. Ich glaube, wir haben schon jemanden, oder zumindest werden wir bald jemanden haben.« Jibb starrte sie verständnislos an. Zumindest werden wir bald jemanden haben. Sie waren auf dem Weg zum Rest seiner Leute. Sprach sie von einem von ihnen?
»Du weißt, wen ich meine, oder?«
Er zuckte halbherzig die Achseln. »Nein. Ich ...« Er hielt inne und begriff so plötzlich, dass er tatsächlich stehen blieb und der Zauberer beinahe mit ihm zusammengestoßen wäre. »Das soll wohl ein Witz sein!«, sagte er, aber er begann bereits zu erkennen, worin ihr Vorteil bestehen würde. Jemand, dem Cedrych vertraut. Und, so hätte sie hinzufügen können, jemand, der ebenso große Angst haben würde, Melyors und Jibbs »Bitte« abzulehnen, wie er fürchtete, den narbengesichtigen Oberlord zu belügen. »Begreifst du, wie es funktionieren könnte?«, fragte sie, und ihre Augen blitzten in dem scharlachroten Licht, ihres Kristalls.
Er nickte, und er konnte den Blick einfach nicht von ihr abwenden. Sie war brillant und wunderschön, und er liebte sie. Was immer zwischen ihr und dem Zauberer sein mochte, er liebte sie. Und er konnte nichts dagegen tun.
»Ja«, brachte er schließlich heraus. »Ich begreife, was du meinst.«
»Der schwierige Teil wird darin bestehen, Dob davon zu überzeugen, dass er mit uns besser dran ist als mit Cedrych.«
»Nein«, korrigierte Jibb. »Der schwierige Teil wird darin bestehen, meine Männer davon abzuhalten, ihn umzubringen.«
13
W ieder muss ich an den Goldpalast denken. Ich weiß, das ist unverantwortlich von mir. Ich sollte mich auf die Initiative und die Erhaltung meines Herrschaftsbereichs konzentrieren. Das sind die Grundlagen für alles andere, was ich in Zukunft erreichen will. Und dennoch sitze ich hier und schmiede Pläne für den Tag, an dem ich endlich bereit bin zuzuschlagen. Ich brauche eine Strategie, nicht nur für die Übernahme des Palasts, sondern auch, um ihn halten zu können. Und schon beginnt sich in meinem Geist eine herauszubilden ...
Das erinnert mich an ein altes Sprichwort, das, wie ich glaube, aus der Zeit der Festigung stammt. »Chaos«, heißt es, »ist wie Feuer. Wehe den Feinden des Mannes, der es beherrschen kann. Und wehe dem, der es nicht kann.» Aus dem Tagebuch von Cediych i Vran, Oberlord des Ersten Herrschaftsbereichs von Bragor-Nal, Tag 6, Woche 7, im Frühjahr des Jahres 3060.
Das Warten war das Schlimmste. Er wäre lieber dort draußen gewesen, mitten in den Gefechten, den Werfer in der Hand, einen weiteren Kracher in eine Gasse schleudernd. Aber er hatte so viele Einheiten in so vielen verschiedenen Blocks, dass er es sich kaum leisten konnte, sich lange aus seinem Hauptquartier zu entfernen. Seit er Nal-Lord geworden war, hatten sich die Unabhängigen nur so darum gedrängt, für ihn zu arbeiten. Und so gut er mit einem Messer und einem Werfer sein mochte - seine Männer brauchten ihn nicht auf der Straße. Sie brauchten ihn hier, wo er war: in Melyors alter Wohnung, wo er ihre Aktivitäten koordinierte. Und das brachte ihn schier um den Verstand. Noch während er jeden wachen Augenblick damit zubrachte zu planen, wie er den Herrschaftsbereich für sich gewinnen könnte, fragte sich Dob, ob er wirklich dazu geeignet war, Oberlord zu sein. Die Kämpfe draußen haben ihm gefallen. Es hat ihm gefallen, mit seinen Männern nach einem guten Kampf zu trinken und nach dem Besäufnis eine Uestra mit ins Bett zu nehmen. In einer leeren Wohnung zu sitzen, Einheiten zu koordinieren und jede zweite Minute über die Schulter zu spähen und auf den nächsten Attentatsversuch zu warten, war nicht gerade seine Vorstellung von Spaß. Er hatte seit dieser Nacht, als Cedrych ihn anrief, um ihm den Vierten anzubieten, keine Frau mehr gehabt und auch nicht mehr anständig geschlafen. War das nicht einfach ungerecht? Er hätte gerne das eine für das andere gegeben, aber auf beides zu verzichten ...
Er ging unruhig in der Wohnung auf und ab und schüttelte den Kopf. Es half nicht sonderlich, dass seine Aussichten ohnehin nicht gut waren. Wildon, Newell und der Herrscher waren erst vor einer Woche getötet worden, aber das hatte genügt, um zu entdecken, wie schlecht er darauf vorbereitet war, um den Herrschaftsbereich zu kämpfen. Er hätte es ja sein lassen und seine Verluste als Preis für die Lektion hingenommen, hätte Enrek Bowen nicht schon den Vierten
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