Die Chroniken von Amarid 04 - Die Retterin des Landes
sagte er und wandte sich wieder an ihre neuen Führer. »Geht voraus.«
Sie blieben den ganzen Tag bei den Brüdern unter der Erde und ließen sich Anweisungen geben, wie sie das MedianGebirge überqueren sollten. Außerdem füllten ihre Helfer Gwilyms Rucksack mit Lebensmitteln und Wasserschläuchen. Melyor wurde, wie der Steinträger bemerkte, immer stiller. Die Idee, das Nal zu verlassen und in die Berge zu gehen, schien ihr nicht zu behagen, und obwohl die beiden Führer sie als Gildriitin akzeptierten, schien sie sich in ihrer Nähe nicht wohl zu fühlen. Kurz vor Anbruch der Dämmerung, als einer der Brüder plötzlich wegging und sich durch den Tunnel wieder in Richtung des Nal bewegte, sah ihm Melyor mit deutlichem Misstrauen nach.
»Wo geht er hin?«, wollte sie von dem anderen Bruder wissen.
Der junge Mann, der Gwilym mit seinem Rucksack geholfen hatte, starrte seinem Bruder ebenfalls hinterher. »Ich weiß es nicht«, sagte er schließlich. Er zuckte die Achseln. »Wir sollten am Nordrand des Dreiundzwanzigsten Bezirks auf Patrouille gehen. Er übernimmt wahrscheinlich unsere Runden.«
Melyor schaute wieder in die Richtung, in die der Mann gegangen war. »Schon gut«, sagte sie, obwohl sie immer noch misstrauisch war.
Gwilym ging näher zu ihr hin. »Was ist denn?«, fragte er leise.
»Ich bin nicht sicher«, erwiderte sie, den Blick immer noch auf den Tunnel gerichtet. »Wahrscheinlich ist alles in Ordnung. Ich habe nur ein seltsames Gefühl, was diesen Mann angeht.«
»Sie sind schwierig zu durchschauen«, sagte Gwilym, der sich an seine eigenen ersten Eindrücke von den Mitgliedern des Netzwerks von Bragor-Nal erinnerte. »Als ich hier eintraf, wusste ich nicht, was ich mit ihnen anfangen soll. Sie leben jeden Tag mit diesem gewaltigen Geheimnis und der Angst, dass jemand es herausfinden wird. Es ist beinahe, als lebte man gleichzeitig in zwei Welten. Ich habe keine Ahnung, wie sie damit zurechtkommen.« Er lächelte sie an und hoffte, sie beruhigt zu haben. »Aber sie haben mich zu
Orris gebracht, und sie werden uns auch nach Oerella-Nal bringen.«
Melyor sah den Steinträger an und lächelte zögernd. »Du hast Recht. Ich bin sicher, es ist alles in Ordnung.« »Es ist Zeit zu gehen«, sagte ihr Führer und winkte den Reisenden zu, ihm zu folgen. »Das späte Zwielicht ist am besten; es ist dunkel genug, damit die SiHerr uns nicht mehr so gut sehen können, aber immer noch hell genug, dass ihre Suchscheinwerfer ihnen nicht viel nützen.«
Der Steinträger rückte seinen Rucksack zurecht und versuchte, sich wieder an das Gewicht zu gewöhnen; es war einige Zeit her, seit der Rucksack so voll gewesen war. Dann ging er hinter dem Mann her. Melyor und Orris folgten ebenfalls, obwohl Gwilym bemerkte, dass sich Melyor noch einmal umsah, als wollte sie eine Spur des anderen Bruders entdecken.
Es würde ein kurzes Gespräch sein. Gespräche mit dem Oberlord dauerten nie lange. Aber erst musste Jeron weit genug von seinem Bruder und den Fremden wegkommen, um vertraulich mit ihm reden zu können. Sein Bruder hätte das nie verstanden. Lovel war ein anständiger Mann, und Jeron liebte ihn. Sie hatten auf dieser Welt nur einander. Aber Lovel war auch hoffnungslos naiv und ein bisschen dumm. Er hatte nie gefragt, woher Jeron das Geld für den neuen Transporter hatte oder wie es ihnen gelungen war, mit dem bisschen, was sie als Arbeiter auf dem Hof verdienten, die schönste Wohnung im Block zu bekommen. Gar nicht zu reden von diesen Arbeitsstellen auf dem Hof selbst. Lovel hatte einfach akzeptiert, dass sie sie bekommen hatten und auch behielten.
Und das war gut so. Wie hätte Jeron es erklären sollen? Er konnte doch nicht einfach sagen: »Wir haben all diese Dinge - die Arbeit, das Geld, die Wohnung - bekommen, weil ich das Netzwerk an Cedrych verraten habe.« Es war besser, dieses Geheimnis zu bewahren und Lovel glauben zu lassen, dass die Welt kein so schlechter Ort war, nicht einmal für zwei Gildriiten.
Von Anfang an hatte Jeron seine Mitarbeit von dem Versprechen des Oberlords abhängig gemacht, dass Lovel nichts zustoßen würde. Er glaubte nicht ernsthaft, dass Cedrychs Wort viel wert war oder dass er eine Möglichkeit hatte, den Oberlord dazu zu zwingen, sich tatsächlich an sein Versprechen zu halten. Aber das hatte es ein wenig einfacher gemacht überzulaufen. Und Cedrych hatte sich nie dafür interessiert, Gildriiten Schaden zuzufügen. Er behauptete nur, sich besser zu fühlen, wenn er
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