Die Chroniken von Amarid 04 - Die Retterin des Landes
des Fremden Baram«, eingereicht von Eulenmeister Erland im Herbst des Gottesjahres 4625.
Er wusste, dass er nicht ins Nal gehörte. Seit er hier eingetroffen war, hatte er das Gewicht der riesigen, hoch aufragenden Gebäude gespürt, als müsste er sie auf dem Rücken tragen. Er war beim Anblick des braunen Dunstes, der den Himmel wie eine Krankheit überzog, schmerzerfüllt zusammengezuckt und hatte erfolglos versucht, den ununterbrochenen Lärm zu überhören, der ihn auch noch unter der Erde erreichte, in dem bedrückenden Gestank und der Finsternis der Tunnel, in denen er so viel Zeit verbracht hatte. Aber so bewusst er sich seiner Ablehnung dieses seltsamen Ortes auch war, Orris hatte nicht begriffen, wie sehr ihm seine Heimat fehlte, bis er außerhalb der großen Stadt war und in die beeindruckende Bergkette aufstieg, die Melyor das Median-Gebirge nannte.
Er konnte immer noch das Nal sehen, wenn er einen Blick zurückwarf. Wenn der kalte Wind, der die steilen, felsigen Abhänge herunterfegte, abflaute, konnte er es immer noch riechen. Und obwohl der Himmel hier eine natürlichere Farbe hatte, konnte der Magier immer noch Spuren des braunen Dunstes erkennen, der über ihm hing. Aber unter seinen Füßen spürte er zumindest wieder Erde und Geröll. Weiter oben am Berghang wuchsen Espen und Fichten in der Sonne und dem Wind, die sie brauchten. Er konnte Vögel singen hören und hatte schon mehrere Rehe entdeckt. Jedes Mal, wenn er Luft holte, kam ihm das wie eine reinigende Zeremonie vor.
Und dennoch war Orris' Erleichterung darüber, das Nal endlich hinter sich zu haben, nichts im Vergleich mit der von Anizir. Die Gedanken, die sie ihm übertragen hatte, waren so viele Tage lang - seit sie vom Sumpf aus einen ersten Blick auf das Nal geworfen hatte - von einer ununterbrochenen quälenden Angst begleitet gewesen, dass Orris beinahe vergessen hatte, wie ihre Bindung gewesen war, bevor sie Lon-Ser erreichten. Nun jedoch, als er zusammen mit Gwilym und Melyor einen schmalen Weg entlangging, der sie höher und höher in die Berge brachte, schwebte der dunkle Falke über ihnen, wirbelte und schoss in der Sonne herum, und das mit solcher Begeisterung, dass sogar Melyor bei ihrem Anblick lachen musste. Der Vogel hatte bereits dreimal gefressen, seit sie bei Sonnenaufgang aufgestanden waren, und dabei war es kaum Mittag. Sie und Orris waren immer noch weit von Tobyn-Ser entfernt, aber an diesem ersten Morgen außerhalb von Bragor-Nal schien die Entfernung nicht mehr so groß zu sein.
Sie kamen gut voran und machten nur kurz am frühen Nachmittag Rast, um etwas zu essen. Angesichts von Gwilyms Umfang und der Tatsache, dass der Steinträger mit Abstand der Älteste von ihnen war, hatte Orris erwartet, dass er als Erster müde werden würde. Aber Gwilym bewegte sich trotz des schweren Rucksacks mit einer Leichtigkeit und täuschenden Anmut über den schwierigen Weg, die Orris vermuten ließen, dass er an das Leben im Gebirge gewöhnt war. Melyor andererseits wirkte hier vollkommen fehl am Platz. Ihre schwarzen Stiefel mit den zugeschliffenen Spitzen eigneten sich schlecht für felsiges Gelände, und obwohl sie sich nie beschwerte und es irgendwie schaffte, mit Orris und dem Steinträger Schritt zu halten, war sie schon am Mittag erhitzt und außer Atem.
Spät an diesem Nachmittag, als das Sonnenlicht bereits schräg auf den Weg fiel und die Bäume und Steine in ein goldenes Licht tauchte, machten sie schließlich Halt. Sofort ließ sich Melyor fallen, legte sich auf den Rücken, schloss die Augen und murmelte vor sich hin.
»Alles in Ordnung?«, fragte Orris und setzte sich neben sie. Er bot ihr ein Stück trockenes Brot an.
Sie öffnete ein Auge und blinzelte zu ihm auf. Dann griff sie nach dem Brot und biss hinein. »Du fragst, ob alles in Ordnung ist?«, sagte sie mit ihrem seltsamen Akzent, setzte sich wieder hin und sah ihn an. »Was hältst du denn hiervon?« Sie zog einen ihrer Stiefel aus und zog dabei eine Grimasse. Ihr weißer Strumpf war an mehreren Stellen zerrissen und blutbefleckt. Als sie ihn auszog, sah Orris, dass ihr Fuß mit Blutblasen bedeckt und die Haut an vielen Stellen aufgerissen war. Es war bemerkenswert, dass sie überhaupt so weit gekommen war. Sie zog auch den anderen Stiefel und Strumpf aus, und auf dieser Seite war es sogar noch schlimmer.
Er stieß einen leisen Pfiff aus, dann sagte er: »Ich kann etwas dagegen tun«, und streckte die Hand nach ihrem Fuß aus. Sie zog den Fuß
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