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Die Chroniken von Amarid 05 - Der Adlerweise

Die Chroniken von Amarid 05 - Der Adlerweise

Titel: Die Chroniken von Amarid 05 - Der Adlerweise Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: David B. Coe
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schlimmer enden können. Jibb hätte umkommen können. Du hättest ihn töten können. Zum zweiten Mal schüttelte er den Kopf und versuchte, einen klaren Gedanken zu fassen. Dann folgte er den anderen.
    Aber noch auf dem Weg konnte er nichts anderes hören als Jibbs Stimme. Du entwickelst dich wirklich zum Helden. Der General hätte nicht weiter von der Wahrheit entfernt sein können.
    Es war immer noch hell draußen, aber Melyor war schon bei ihrem dritten Glas Wein. Normalerweise trank sie nicht so früh und nicht so viel, aber es war ein ungewöhnlicher Tag gewesen. Sie wollte gar nicht daran denken, dass Wiercia sich wieder weigerte, mit ihr zu sprechen, oder dass sie von Spionen erfahren hatte, dass Marar Gold und neue Waffen anhäufte. Das war zweitrangig.
    Jibb wäre beinahe umgekommen. Die Verletzung an seiner Schulter war schwer - das hatte ihr ihr Leibarzt, zu dem sie den Sicherheitsmann sofort geschickt hatte, soeben berichtet. Er hatte sogar befürchtet, dass Jibb vielleicht nie wieder im Stande sein würde, seinen Arm zu bewegen. Gut, es war der linke Arm, aber dennoch ...
    Und dann waren da die fünf Männer, die nie wieder zurückkehren würden.
    Sie leerte ihr Glas und goss sich ein weiteres ein.
    So sollte es einfach nicht sein. Sie hatte sich selbst und alle Mittel, die ihr als Herrscherin zur Verfügung standen, eingesetzt, um Bragor-Nal zu verändern, um der Gewalttätigkeit ein Ende zu machen. Die Menschen sprachen von der Zeit der Festigung, jener Ära der Bürgerkriege, die das Land vor mehreren hundert Jahren beinahe ein Jahrhundert lang verwüstet hatten, als von einer tragischen Episode in der Geschichte von Lon-Ser. Aber als Auswirkung dieser Zeit hatte Bragor-Nal seine eigene »Festigungszeit« erfahren. Wie sonst konnte man den ununterbrochenen Krieg beschreiben, der weiterhin zwischen den Ober-Lords, Nal- Lords und Gesetzesbrechern des Nal tobte? War sie denn die Einzige, die begriff, wie gefährlich das war? War sie die Einzige, die dem ein Ende machen wollte? Manchmal kam es ihr so vor. Trotz all ihrer Anstrengungen klammerten sich zu viele Nal-Lords und Gesetzesbrecher störrisch an den alten Weg. Ihre Oberlords Dob, Bren und Bowen behaupteten, sie bei ihren Anstrengungen, dem Blutvergießen ein Ende machen zu wollen, zu unterstützen, aber wenn das wirklich ihre Absicht war, würden sie diese Scharmützel nicht dulden. Dob war der Einzige, der es offenbar ernst meinte, und er hatte leider wenig Einfluss auf seine Kollegen.
    Sie fuhr sich mit der Hand durch das bernsteinfarbene Haar und trank einen weiteren Schluck Wein. Sie würde Tullis den Bezirk abnehmen und ihn zehn Jahre ins Gefängnis stecken. Sie würde jeden seiner Gesetzesbrecher fünf Jahre einbuchten und Tullis' Gold unter seinen Nachbarn, darunter auch Gribon, verteilen, beschloss sie mit einigem Widerstreben. Sie würde auch dafür sorgen, dass Bowen, Tullis' Oberlord, weniger erhielt, wenn sie das nächste Mal den Herrschaftsbereichen die üblichen Summen zuteilte. All das half nicht viel, das wusste sie, besonders da fünf ihrer Männer tot waren. Es war allerdings besser als nichts, und Melyor hielt es für wichtig zu zeigen, dass es sich nicht mehr auszahlte, dem alten Weg entsprechend vorzugehen. Sie warf einen Blick zu ihrem Stab, der an der Wand neben ihrem Schreibtisch auf der anderen Zimmerseite lehnte, und fragte sich unwillkürlich, ob sie vielleicht mehr Erfolg gehabt hätte, wenn sie keine Gildriitin wäre. Wenn sie einfach nur Melyor i Lakin wäre, die versuchte, das Nal zu verändern, und nicht Melyor i Lakin, die Steinträgerin - hätten sie ihr dann zugehört? Das war selbstverständlich eine sinnlose Frage, aber sie fand einen gewissen Trost in der Vorstellung, dass sich alle gegen sie stellten und sie umbringen wollten, weil sie dieses Vorurteil gegen Gildriiten hatten, und nicht, weil sie glaubten, Melyors Ideen bezüglich des Nal seien nichts wert.
    Sie hob das Glas erneut an die Lippen, aber dann hielt sie inne. Dieses Selbstmitleid und die Trinkerei würden sie nicht weiterbringen. Sie stellte das Glas auf einen Beistelltisch am Bett und ging zu ihrem Schreibtisch und dem Sprechschirm, der sie mit Jibbs Büro verband. Nach den unzulänglichen Berichten, die sie von den überlebenden Gardisten erhalten hatte, hatte Premel offenbar nicht nur Jibb das Leben gerettet, sondern war auch verantwortlich für die Verhaftung von Tullis und seinen Männern. Aus irgendeinem Grund hatte der Mann ihr nicht

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