Die Chroniken von Amarid 05 - Der Adlerweise
seine Macht durch ihren Stein zu bündeln und damit ihren Körper zu übernehmen. »Zu diesem Zeitpunkt werden wir miteinander auf eine Weise verbunden sein, wie sie nur wenige zuvor erlebt haben.« Das stimmte, aber sie würde es falsch verstehen. »Ich werde nicht mehr unabhängig von dir existieren. Mein Leben wird unweigerlich an deines gebunden sein.« Abermals die Wahrheit. Ihr Körper würde zu einem Gefäß für seine Macht und sein Bewusstsein werden. Solange sie lebte, würde er sich in ihr aufhalten. Und sie würde ewig leben.
Tammen schauderte ein wenig.
»Ist alles in Ordnung?«, fragte er.
»Ja. Sicher.« Sie kaute auf der Unterlippe. »Und sobald das vorüber ist, wirst du diesen Ort verlassen können? Du wirst uns helfen können?«
»Meine Liebe, sobald dies vorüber ist, werden wir beide überall hingehen können, und alle Macht, über die ich verfüge, wird durch deinen Ceryll fließen.« Vollkommen wahr. Sie dachte nach. Und während sie das tat, bemerkte er, dass ihre Begleiter sich näherten. Sie hatten nicht mehr viel Zeit.
Beeil dich!, wollte er sie anschreien. Ich werde nicht zulassen, dass du mir alles verdirbst!
Aber im nächsten Augenblick nickte sie schon, und es gelang ihr sogar zu lächeln. »Also gut«, sagte sie. »Ich bin bereit.« Sie war mutig. Das musste er ihr lassen. »Schließ die Augen. Und streck den Stab mit dem Ceryll zu mir aus.«
Sie tat, was er gesagt hatte. Die anderen Magier kamen in Sicht.
»Gewährst du mir Zugang zu deinem Ceryll, freiwillig und ohne Bedingungen?«
»Ja.«
Er griff nach dem schimmernden blauen Stein. »Nein!«, rief einer der Magier.
Er lachte. Nun konnten sie nichts mehr tun.
Tammen riss die Augen auf, aber selbst sie war nun machtlos und konnte ihn nicht mehr aufhalten. Sie hatte ihre Zustimmung bereits gegeben. Er legte die Hände auf ihren Kristall, und gelbes Licht schoss so plötzlich und hell aus dem Stein, dass selbst er die Augen schließen musste - er, der so lange nichts anderes als Licht gekannt hatte. Dann benutzte er den Ceryll als Portal zu ihrem Geist und drang in sie ein. Sie schrie und tastete nach ihrem Falken, versuchte Sartol mit Hilfe ihrer Macht abzuwehren. Aber es war zu spät. Wieder lachte er, und indem er seine Macht benutzte und sie durch ihren Ceryll schickte, tötete er den Vogel mit einer Explosion, die so gewaltig war, dass sie nichts zurückließ, nicht einmal Asche. Genau wie das Feuer, das ihn vor all diesen Jahren in der Großen Halle getötet hatte, nichts zurückgelassen hatte.
Als es einen Augenblick später auf der Ebene wieder dunkel wurde, ließ sich Miron, der Vogel seiner Jugend, auf seiner Schulter nieder. Oder genauer gesagt auf Tammens Schulter. Sie waren jetzt eins. Er spürte, wie sie gegen ihn ankämpfte. Er hörte ihre Schreie, aber er gestattete ihr nicht, laut zu werden.
Du kannst nicht gegen mich ankommen, sagte er. Dieser Körper gehört jetzt mir. Er wird niemals sterben, er wird niemals Schmerz erleiden. Aber er wird dir auch nie wieder gehören.
Warum tust du das?, schluchzte sie.
Er sah, wie ihre Freunde näher kamen, und beschloss, sich mit ihr abzugeben, bis sie ihn erreicht hatten. Danach würde er ihr nicht einmal mehr gestatten, mit ihm zu sprechen.
Weil ich es kann, antwortete er. Weil du es zugelassen hast. Und weil dies mein einziger Weg zur Rache war. Aber deine Freunde haben uns nun beinahe erreicht, und ich kann es mir nicht leisten, deine Stimme im Kopf zu haben, wenn sie noch näher kommen.
Du wirst mich nie zum Schweigen bringen, sagte sie. Nicht endgültig. Es ist mir gleich, ob du der mächtigste Magier in der Geschichte von Tobyn-Ser warst, du wirst mich nicht besiegen können! Ich werde einen Weg finden - Genug!, fauchte er und traf sie mit der vollen Macht seiner Magie. Ich habe dich besiegt. Du kannst nichts tun, um dich zu retten. Und nur, damit das klar ist: Ich war nicht der mächtigste Magier in der Geschichte dieses Landes, solange ich noch lebte - ich spreche hier von meinem ersten Leben -, aber ich werde es bald sein. Und selbst wenn alle Magier von Tobyn-Ser sich mir vereint entgegenstellen, werden sie mich nicht besiegen können. Das verdanke ich dir. Ich habe nichts mehr zu befürchten.
Er gestattete ihr nicht einmal zu antworten. Zweifellos schluchzte sie wieder und flehte um Gnade. Aber er würde ihren Gedanken nie wieder lauschen.
Ihre Freunde hatten ihn beinahe erreicht, und er lächelte und sah sie näher kommen. Du solltest ihnen sagen,
Weitere Kostenlose Bücher