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Die Chroniken von Amarid 05 - Der Adlerweise

Die Chroniken von Amarid 05 - Der Adlerweise

Titel: Die Chroniken von Amarid 05 - Der Adlerweise Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: David B. Coe
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Wenn ich keine Magierin wäre, sondern eine ganz gewöhnliche Frau, hätte ich jetzt wahrscheinlich einen Mann und Kinder. Und dennoch behandeln mich alle, als wäre ich immer noch das kleine Waisenmädchen, das den Angriff der Fremden überlebt und sich an den hübschen bunten Falken gebunden hat.«
    Linnea runzelte die Stirn. »Cailin, wenn ich dich >Kind< nenne, dann ...«
    »Es ist mir gleich, wie du mich nennst, Älteste«, warf die junge Frau kopfschüttelnd ein. »Aber wie soll ich die Liga davon überzeugen, mich als Oberhaupt ernst zu nehmen, wenn ich nicht einmal dich dazu bringen kann, ehrlich mit mir über Erland zu reden?«
    Die Älteste starrte sie einen Augenblick an und sagte nichts. Schließlich nickte sie. »Ich verstehe, was du meinst.« »Gut. Dann sag mir, warum du Erland so hasst.«
    »Ich hasse ihn nicht. Wir im Tempel richten keinen Hass gegen Einzelne; das zu tun würde bedeuten, die Fehler von Tobyn und Lon zu wiederholen und auf diese Weise Arick zu provozieren. Das solltest du eigentlich wissen, nachdem du so lange bei uns gewohnt hast.«
    »Selbstverständlich, Älteste«, sagte Cailin. »Es tut mir Leid.« »Du brauchst dich nicht zu entschuldigen, Ki...« Sie grinste und wurde ein wenig rot. »Ich hasse ihn nicht«, fuhr sie nach kurzer Pause fort. »Ich traue ihm nur nicht über den Weg. Ich habe ihm nie getraut.« »Aber hast du nicht dazu beigetragen, dass sich der Tempel mit ihm verbündete, als sich die Liga vom Orden trennte?« »Wir haben die Liga unterstützt. Wir hofften, wenn die Magie von einer anderen Körperschaft als dem Orden ausgeübt wird, könnte unsere uralte Fehde vielleicht ein Ende finden. Und damals bedeutete Unterstützung der Liga eben, Erland zu unterstützen.« Sie verzog das Gesicht. »Aber selbst damals habe ich ihm nicht getraut.«
    »Warum nicht? Weil er mich benutzt hat? Weil er mich zu einem Symbol für seine neue Liga gemacht hat?« Linnea sah sie verblüfft an.
    »Ja«, sagte Cailin, nun wieder lächelnd. »Ich habe es gewusst. Natürlich nicht sofort. Ich war zu jung und zu begeistert von der Vorstellung, Erste Magierin der Liga zu sein.« Sie erinnerte sich immer noch an den Tag, als Erland zu ihr auf die Lichtung oberhalb des Tempels gekommen war, wo sie Marcran so gerne fliegen ließ, und ihr angeboten hatte, den blauen Umhang zu tragen. Die Liga war damals noch ganz neu gewesen - Cailin hatte noch nicht einmal gehört gehabt, dass es sie überhaupt gab. Aber in einer Vision beinahe zwei Jahre vor diesem Tag hatte sie sich selbst in einem blauen Umhang gesehen, wie sie die Männer tötete, die ihre Eltern umgebracht hatten. Und daher hatte sie sein Angebot angenommen und geglaubt, es sei der Wunsch der Götter, dass sie Mitglied der Liga wurde. »Aber ich habe nicht lange gebraucht, um herauszufinden, warum Erland so freundlich zu mir war«, fuhr sie fort. »Ich sah es an der Art, wie die anderen Magier mich behandelten.«
    Linnea kniff die Augen zusammen. »Wie haben sie dich behandelt?« »Wie ein Kind.«
    »Tun sie das immer noch?«
    »Nicht alle. Die Jüngeren suchen bei den Konklaven meine Anleitung. Aber Erland und seine Verbündeten betrachten mich immer noch als eine Art Trophäe und nichts weiter.«
    Die Älteste nickte. »Aha.«
    »Ist das also der Grund, wieso du ihm nicht traust?« Linnea sah sie eine Weile lang schweigend an. »Willst du wirklich wissen, was es war?«, fragte sie schließlich. Cailin nickte.
    »Es war der Ceryll.«
    »Mein Ceryll?«, fragte Cailin ungläubig und sah den goldenen Stein an. Erland hatte ihn ihr an jenem Tag auf der Lichtung gegeben, ein Lächeln auf den Lippen, einen freundlichen Ausdruck in den dunkelblauen Augen. Und sobald er ihn in Cailins Hand gelegt hatte, war gleißend helles Licht aus dem Stein geschossen. »Du verfügst nun über alles, was du brauchst, um eine Falkenmagierin zu sein«, hatte Erland an diesem Tag zu ihr gesagt. »Du hast die Macht, die du in dir trägst, deinen Vogel und deinen Stein.« Niemals hatte jemand Cailin ein schöneres Geschenk gemacht. Selbst in den Jahren, die darauf gefolgt waren und in denen sie begriffen hatte, worin die Motive der anderen bestanden, hatte sie sich verzweifelt an die Erinnerung an diesen einzigen Augenblick geklammert. Es war die einzige echte Freundlichkeit, die Erland ihr je erwiesen hatte; es war ein Geschenk von solch überwältigender Großzügigkeit, dass sie sich, was diese eine Sache anging, immer geweigert hatte, seine Motive in Frage zu

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