Die Chroniken von Araluen - Die Belagerung: Band 6 (German Edition)
dankbar einen tiefen Schluck. Dann konnte er seine Begeisterung nicht länger verbergen. »Du bist genau der Mann, den ich brauche! Wie kommst du hierher? Und was hat es mit der freien Lanze auf sich? Warum kein Eichenblatt?«
»Vorsicht, Will! Pass auf, was du sagst!« Hawken hob die Hand, um die Flut von Fragen aufzuhalten. Er warf Will einen warnenden Blick zu, weil er seinen richtigen Namen genannt hatte, und blickte vielsagend zum Wirt, der aufmerksam lauschte, um mehr über diese merkwürdigen jungen Männer zu erfahren.
Bei der Erwähnung des Namens Horace und eines
Eichenblatts regte sich bei Cullum eine Erinnerung. Sir Horace, der Ritter vom Eichenblatt, war eine berühmte Persönlichkeit in Araluen, selbst an einem so abgelegenen Ort wie Norgate kannte man seinen Namen. Natürlich wurden die Geschichten, die man erzählte, immer reicher ausgeschmückt, je abgelegener ein Ort war. Wie Cullum gehört hatte, war Sir Horace gerade mal ein Jüngling von sechzehn Jahren gewesen, als er den Tyrannen Morgarath im Zweikampf besiegte.
In Begleitung des nicht minder legendären Waldläufers Walt war Sir Horace über die Sturmweiße See gereist, um die Reiter aus dem Osten zu besiegen und Prinzessin Cassandra und ihren Begleiter, den Waldläuferlehrjungen Will zu befreien.
Will! Der Name des Gauklers war Will. Da saß er in einem Umhang, ausgestattet mit Pfeil und Bogen. Cullum sah genauer hin und entdeckte den Griff eines schweren Sachsmessers am Gürtel. Kein Zweifel, diese beiden fröhlichen jungen Männer waren zwei von Araluens größten Helden! Cullum versuchte so zu tun, als wäre nichts, und eilte hinaus in die Küche, um die Neuigkeiten seiner Frau zu berichten. Horace sah ihn gehen und schüttelte den Kopf.
»Siehst du, was du angerichtet hast?«, sagte er tadelnd. »Hawken ist mein Deckname. Ich wollte unerkannt bleiben. Deshalb trage ich auch den Schild der freien Lanze. Schließlich hat es keinen Sinn, unter einem Decknamen zu reisen und mich dann mit dem Eichenblatt zu schmücken, oder?«
Will nickte.
»Stimmt. Und wer hat dich nun geschickt?«
»Hast du die Nachricht denn nicht bekommen?«, fragte Horace. »Walt und Crowley dachten, du könntest vielleicht etwas Hilfe brauchen.«
»Also haben sie dich vorausgeschickt, damit ich weiß, dass Hilfe unterwegs ist?«, fragte Will unschuldig.
Horace sah ihn mit hochgezogenen Augenbrauen an und Will murmelte zerknirscht: »Entschuldige. Rede weiter.«
»Wie ich schon sagte«, fuhr Horace mit Nachdruck fort, »sie dachten, du könntest vielleicht einen Erwachsenen brauchen, der nach dir sieht, also haben sie mich geschickt. Sie meinten, ich sollte lieber unter falschem Namen reisen, bis ich wüsste, was los ist. Das alles hätte dir eine Brieftaube schon vor Tagen mitteilen sollen.«
»Wir haben keine Verbindung mehr mit Walt«, seufzte Will. »Die Ereignisse hier haben sich überstürzt und Alyss’ Taubenhändler musste anscheinend untertauchen.«
»Wo ist Alyss denn überhaupt?«, fragte Horace und sah sich unwillkürlich um, als könnte sie plötzlich jeden Moment vor ihnen erscheinen.
Wills Miene verdüsterte sich. »Sie wird gefangen gehalten«, sagte er leise und starrte auf seine Füße.
»Gefangen gehalten?«, wiederholte Horace. »Von wem? Von Malkallam? Dann los, befreien wir sie! Wieso verschwenden wir hier noch unsere Zeit?«
Will zog seinen Freund wieder zurück auf seinen
Sitzplatz. Aber so war Horace eben. Wenn Freunde in Gefahr waren, eilte er sofort zu ihrer Rettung. Und Alyss war natürlich eine Freundin. Schließlich waren sie alle drei zusammen im Waisenhaus auf Burg Redmont aufgewachsen.
»Setz dich wieder«, sagte Will. »Sie wird im Turm von Burg Macindaw von Keren gefangen gehalten. Malcolm und ich arbeiten an einem Plan, sie zu befreien. Jetzt, wo du hier bist, stehen unsere Chancen schon etwas besser.«
Horace schüttelte den Kopf. »Malcolm?«, fragte er. »Wer ist das denn nun? Und wer ist dieser Keren, von dem ich ständig reden höre? Gestern habe ich einen Kerl namens Buttle getroffen, der sagte, Keren wäre jetzt Befehlshaber der Burg.«
Will nickte. »Ich sagte ja, dass die Ereignisse hier sich überstürzt haben. Malcolm ist Malkallams echter Name. Aber«, beeilte er sich hinzuzufügen, als er sah, dass Horace ihn unterbrechen wollte, »er ist kein Zauberer, sondern ein Heiler, der auf unserer Seite ist. Keren hat die Burg unrechtmäßig übernommen. Wir sind ziemlich sicher, dass er etwas mit den Skotten
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