Die Chroniken von Araluen - Die Belagerung: Band 6 (German Edition)
Land selbst keinen Unterschied. Es war wunderschön, wild und rau, egal wer darüber herrschte. Doch der Druck, der auf Keren lastete, musste enorm sein. Aber er hatte seine Wahl getroffen, und es hatte keinen Sinn, ihn zu bitten, einen anderen Weg einzuschlagen. Sie sah ihm gleichmütig zu, wie er sich aufrichtete, den Fuß vom Sims nahm und sich zu ihr wandte.
»Ihr seid eine erstaunliche junge Frau, Alyss« sagte er. »Ihr könnt fröhlich und munter sein, obwohl sich alles gegen Euch gerichtet hat.«
Sie zuckte mit den Schultern. »Es hat keinen Sinn, sich über Dinge Sorgen zu machen, die nicht zu ändern sind, Sir Keren«, sagte sie.
Er machte eine abwehrende Handbewegung. »Bitte nicht so förmlich. Nennt mich Keren. Wir mögen auf verschiedenen Seiten stehen, aber es gibt keinen Grund, weshalb wir nicht Freunde sein könnten.«
Keinen Grund, dachte Alyss, außer der Tatsache, dass ich im Dienste des Königs stehe und du ein Verräter deines Landes bist. Aber sie sprach den Gedanken nicht aus. Es hatte keinen Sinn, Keren vor den Kopf zu stoßen, indem sie sein Freundschaftsangebot zurückwies. Ihn zu verärgern brächte ihr gar nichts. Sich andererseits
mit ihm anzufreunden, konnte ihr nützlich sein. Sie erwiderte sein Lächeln.
»Wie könnte ich an einem so schönen Tag anderer Meinung sein?«, sagte sie, und sein Lächeln wurde noch breiter.
»Wisst Ihr, mir sind verschiedene Dinge durch den Kopf gegangen«, sagte er. »Habt Ihr schon einmal darüber nachgedacht, was mit Euch passiert, wenn die Skotten hier sind?«
Alyss zuckte mit den Schultern. »Ich nehme an, ich bleibe hier im Turm«, sagte sie. »Ich gehe davon aus, dass Ihr nicht vorhabt, mich ihnen auszuliefern.«
Einen Augenblick lang bekam sie eine Gänsehaut. Vielleicht war es genau das, was Keren vorhatte. Sie hatte eigentlich gar nicht weiter darüber nachgedacht, denn sie ging ja davon aus, dass Will, und jetzt auch Horace, sie befreien und retten würde. Keren sah bei ihren letzten Worten fast beleidigt aus und ihre Bedenken wurden schnell zerstreut.
»Natürlich nicht!«, erwiderte er nachdrücklich. »Niemals würde ich eine Dame wie Euch diesen Barbaren übergeben.«
»Euren Verbündeten«, erinnerte sie ihn trocken.
Er zuckte abschätzig mit den Schultern. »Mag sein. Aber das geschah aus der Not heraus.«
»Meint Ihr, Euren Verbündeten geht es mit Euch anders?«, fragte Alyss.
Keren begegnete ihrem Blick offen. »Nein. Zwischen ihnen und mir herrscht keine Freundschaft. Dies
ist lediglich ein rein geschäftliches Abkommen. Sie brauchen mich und ich sie. Mehr gebe ich auch nicht vor.«
»Es muss hart sein, eine Zukunft vor sich zu sehen, in der man keine Freunde mehr hat, sondern nur noch notwendige Verbündete«, sagte Alyss mit einem gewissen Maß an Mitgefühl.
Keren betrachtete sie kühl, und ihr wurde klar, dass er es nicht mochte, wenn sie ihm seine Zukunft so deutlich vor Augen führte.
»Das wird nicht für immer sein«, sagte er. »Sobald ich genügend Geld zusammenhabe, mache ich mich auf den Weg nach Gallica oder Teutlandt, wo ich mir ein eigenes Lehen kaufen kann. Als Freiherr brauche ich keine Freunde.«
Alyss wusste, dass es bei den Königen von Teutlandt und Gallica üblich war, die Lehen an den Meistbietenden zu verkaufen. In Araluen war das hingegen an Verdienste und Loyalität gebunden. Doch die versteckte Traurigkeit in Kerens Worten ließ sie gegen besseres Wissen noch einen letzten Versuch unternehmen, ihn umzustimmen.
»Ach Keren«, sagte sie bekümmert. »Begreift Ihr denn nicht, wie Euer Leben aussehen wird? Ihr müsst Euch auf Einsamkeit und Verbannung einstellen – auch wenn Ihr sie selbst herbeigeführt habt.«
Er richtete sich gerade auf. »Ich weiß, was ich tue«, erwiderte er steif.
»Stimmt das wirklich? Noch ist es nicht zu spät.
Die Skotten sind bislang nicht hier. Ihr könntet immer noch um Hilfe schicken und die Burg gegen sie verteidigen. Macindaw ist nicht leicht zu erobern, und wenn die Burg standhält, werden sie es nicht wagen, weiter nach Araluen vorzudringen.«
»Vergesst Ihr nicht eine Kleinigkeit? Ich spreche von Syrons Tod«, erwiderte er. Darauf hatte sie keine Antwort und er fuhr fort: »Auch wenn ich seinen Tod nicht beabsichtigte, habe ich ihn doch für meine Zwecke in Kauf genommen. Ich bezweifle, dass der König diesbezüglich Nachsicht walten ließe.«
»Vielleicht könnte er …«, begann sie, doch er unterbrach sie mit erhobener Hand.
»Und dann sind da
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