Die Chroniken von Araluen - Die brennende Brücke: Band 2 (German Edition)
Das rechte Seil gab ein wenig mehr nach. In Gedanken verfluchte er die Launenhaftigkeit des Windes, der ein Feuer angefacht und das andere erstickt hatte.
Vier Wargals hatten sich wieder aus dem Tunnel gewagt. Ermutigt von der Tatsache, dass keine Pfeile mehr um ihre Köpfe schwirrten, gingen sie vorsichtig weiter. Ohne einen Anführer, der ihnen sagte, was zu tun war, blieben sie unschlüssig in einer Gruppe zusammen und bildeten so ein leichtes Ziel.
Will zielte genau und schoss dreimal.
Jeder Schuss traf. Der vierte Wargal schaute auf seine gefallenen Kameraden, dann ging er eilig in Deckung. Will schickte ihm einen weiteren Pfeil hinterher, um ihn einzuschüchtern.
Mit einem Blick in seinen Köcher stellte Will fest, dass nur noch sechzehn Pfeile übrig waren. Nicht viel, wenn die Wargals Verstärkung angefordert hatten. Er sah zu Evanlyn hinüber. Sie schien furchtbar lange zu brauchen, um das Feuer wieder anzuzünden. Am liebsten hätte er sie angeschrien, sich zu beeilen, doch er wusste, das würde sie nur ablenken.
Aus dem Tunnel kamen jetzt vier weitere Gestalten. Sie bewegten sich schnell und schwärmten geschickt aus, sodass sie kein leichtes Ziel mehr boten. Will hob den Bogen und zielte auf einen der Neuankömmlinge. Voller Enttäuschung fluchte er leise, als der Pfeil ins Leere ging.
Will war nun dankbar für die endlos scheinenden Übungen, die Walt ihn hatte durchführen lassen, denn jetzt hatte er schon wieder einen Pfeil an der Bogensehne, ohne überhaupt einen Blick darauf zu richten.
Will zwang sich, ruhig und gleichmäßig zu atmen. Der beste Moment, um zu schießen, war der, wenn man dem Gegner bereits in die Augen schauen konnte. Wills Herz hämmerte wie verrückt, als er sich an das letzte Mal erinnerte – es war ja nicht lange
her –, wo er vor Angst danebengeschossen hatte. Grimmig verzog er das Gesicht und hoffte, dass dies nicht noch einmal passieren würde.
Einer der Angreifer vollführte jetzt einen kurzen Spurt zwischen den verschiedenen Deckungsmöglichkeiten. Im Feuerschein erkannte Will, dass die Neuen keine Wargals, sondern Nordländer waren.
G ilan schlief sechs Stunden wie ein Stein in dem Zelt, in das Walt ihn gebracht hatte. Während dieser Zeit rührte er sich kein einziges Mal. Körper und Geist holten neue Stärke aus dieser absoluten Ruhe.
Nach den sechs Stunden erwachte das Unterbewusstsein und er fing an zu träumen. Er träumte von Will und Horace und dem Mädchen Evanlyn. Doch der Traum war völlig wirr, denn er sah sie als Gefangene der Wargals, zusammengebunden, während die beiden Räuber Bart und Carney danebenstanden und lachten.
Gilan drehte sich auf die Seite und murmelte im Schlaf. Walt, der in der Nähe saß und die Befiederung an seinen Pfeilen ausbesserte, blickte zu ihm. Als er sah, dass Gilan noch schlief, fuhr er mit seiner Beschäftigung fort.
Gilan träumte jetzt von der Zofe Evanlyn, wie der König sie beschrieben hatte – das Haar noch nicht geschnitten, sondern ganz lang, üppig und rot.
Und dann setzte er sich hellwach auf.
»Mein Gott!«, sagte er zu dem verblüfften Walt. »Sie ist es ja gar nicht!«
Walt fluchte leise, weil er den dickflüssigen Klebstoff verschüttet hatte, mit dem er die Gänsefedern an den Pfeilschaft kleben wollte. Gilans plötzliche Bewegung hatte ihn überascht. Jetzt wischte er die klebrige Flüssigkeit auf und drehte sich gereizt zu seinem Freund.
»Könntest du mich vielleicht das nächste Mal vorwarnen, bevor du so losplärrst?«
Doch Gilan war bereits aufgestanden und zog seine Hose an. »Ich muss den König sehen«, sagte er drängend.
Walt stand auf, da schob sich Gilan auch schon an ihm vorbei und stopfte sich im Laufen schnell noch das Hemd in die Hose.
Walt folgte ihm.
Es gab eine Verzögerung, als sie den Pavillon des Königs erreichten. Die Wachen waren ausgewechselt worden und die neuen kannten Gilan nicht. Walt verschaffte ihm schließlich Zutritt, aber nicht bevor Gilan ihn überzeugt hatte, dass er König Duncan tatsächlich sofort sehen müsste, selbst wenn man ihn aus wohlverdientem Schlaf risse.
Trotz der späten Stunde schlief der König jedoch noch nicht. Er und sein Kommandant diskutierten mögliche Gründe für die Überfälle auf Celtica, als Gilan barfuß, mit ungekämmtem Haar und noch einigen
offen stehenden Knöpfen am Hemd den Pavillon betrat.
»Gilan!«, rief Sir David verblüfft. »Was um Himmels willen tust du hier?«
Gilan hob abwehrend die Hand.
»Nur einen
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