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Die Chroniken von Blarnia

Die Chroniken von Blarnia

Titel: Die Chroniken von Blarnia Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Gerber
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Linken. Erstaunlicherweise schien der genauso zu empfinden. Als Ed vorbeiging, bäumte sich eine große Kackwurst plötzlich auf und sagte fröhlich: »Hallo!«
    »Hallo«, antwortete Ed, doch er blieb nicht stehen, um ein Schwätzchen zu halten. Er musste... jemanden suchen... Wen doch gleich? Hätte er bloß daran gedacht, den Namen in seinen Zeigefinger zu sprechen... Dann erreichte Ed ohne Vorwarnung eine neue, noch abgefahrenere Bedröhntheitsstufe, und sein ganzer Elan schien seinen Körper durch seine Fußsohlen zu verlassen. Die Kälte setzte ihm zu, und er verspürte großen Hunger. Er beschloss, sich an die Ampel zu lehnen, die vollkommen hirnrissig mitten im Wald vor sich hin blinkte, und zu warten, bis etwas Essbares vorbeikam. Ein Eichhörnchen huschte schlecht pfeifend vorbei, doch so laut Ed auch brüllte, es ließ sich nicht überzeugen, in seinen Mund zu hüpfen. Vielleicht sprach es seine Sprache nicht. *
    »Alles scheint so sinnlos », murmelte Ed niedergeschlagen. »Jeder erfüllt nur eine vorgegebene Rolle und ist der Unberechenbarkeit des gesellschaftlichen Miteinanders hilflos ausgeliefert...« Warum sollte er nach Loo suchen? Warum vor dem Professor fliehen? Warum überhaupt irgendetwas tun? Während Ed dort an der Ampel lehnte, gab sein Gehirn ihm die einzig mögliche Antwort: Es wandte sich unbestimmten Gedanken an Mädchen zu. Das tat es in letzter Zeit immer häufiger.
    Erste Grundkenntnisse in Sachen Sex hatte Ed mit acht Jahren in einem Ferienlager für junge Skeptiker erworben. (Obwohl seine Eltern ihn nicht mehr dort hinschickten - seit sie religiös geworden waren, kam das nicht mehr in Frage —, bekam Ed immer noch den Newsletter der Schule: »Beweise es«.) Eines Nachmittags hatten Ed und seine Freunde mitten auf der Straße zwei ineinander verkeilte Hunde gesehen. Sie befragten dazu eine Psychologin, doch deren prosaische Antwort (besonders die Einzelheiten) war derart beunruhigend, dass Ed und seine nicht minder schockierten Kumpels schnurstracks zu Dr. Fornunftig marschierten, dem dänischen Sozialwissenschaftler, der das Camp leitete. Man stelle sich ihre Überraschung vor, als er ihnen eröffnete, dass das, was die Psychologin ihnen erzählt hatte, bis ins absurdeste, peinlichste Detail der Wahrheit entsprach! In der Hoffnung, sie ein wenig zu beruhigen, zeigte der Wissenschaftler ihnen eine Menge Schaubilder und Grafiken, einschließlich eines äußerst beängstigenden Streudiagramms. In den Jahren, die seitdem vergangen waren, hatte Eds Auffassung vom anderen Geschlecht sich zu einer Mischung aus Verwirrung, stillem Verlangen und dunklen Vorahnungen verfestigt. Hinzu kam der Drang loszukichern, sobald gewisse ehemals harmlose Ausdrücke im Gespräch vorkamen.
    Auf jedem anderen Gebiet wollte Ed unbedingt allen anderen voraus sein. Er war sogar ein Jahr länger im Mutterleib geblieben, um seine zukünftigen Klassenkameraden abzuhängen. Aber diesen Aspekt des menschlichen Daseins wollte er so lange unangetastet lassen, wie es nur irgend ging. Doch sein Körper schien mehr und mehr außer Kontrolle zu geraten. Das war höchst beunruhigend, und Ed hoffte, dass nichts allzu Peinliches passieren würde, wenn der Damm schließlich brach - und das würde er unweigerlich. Wenn ich mich schon zum Idioten machen soll, dachte Ed, dann lieber hier, wo niemand mich kennt. Was auch immer passierte, Hauptsache, in der Schule erfuhr niemand etwas davon. Ed wollte auf keinen Fall, dass es ihm so erging wie diesem Jungen aus seiner Klasse, der während einer Prüfung versehentlich gefurzt hatte. Drei Jahre später hing ihm das Missgeschick immer noch nach. Ich brauche Ihnen wohl nicht zu sagen, dass Zehnjährige ein besonders gutes Gedächtnis für derartige Dinge haben. 2
    Aus heiterem Himmel schoss Ed der Ausdruck »es tun« durch den Kopf, und er musste lachen. Er wurde knallrot und schaute sich in der verschneiten Landschaft um, um sich zu vergewissern, dass er allein war.
    Zu seinem Entsetzen entdeckte er in weiter Ferne einen Schlitten, der auf ihn zukam. Er riss sich zusammen und hoffte, dass er nicht wieder an diesen Ausdruck denken und lachen musste. Doch leider waren seine Anstrengungen, nicht daran zu denken, die beste Garantie dafür, dass er es doch tat und wie ein Irrer kicherte.
    Obwohl das Gefährt noch ein ganzes Stück entfernt war, konnte Ed sehen, dass es von mindestens zwanzig Rentieren gezogen wurde. Sie waren ziemlich groß und in schwarzes Leder gekleidet. Während sie

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