Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Chroniken von Blarnia

Die Chroniken von Blarnia

Titel: Die Chroniken von Blarnia Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Gerber
Vom Netzwerk:
angekommen. Mit ihrem falschen Daumen zeigte Frau Biber auf einen akkurat aufgeschütteten kleinen Hügel, der auf dem Bauwerk thronte. »Sei es auch noch so bescheiden, aber es ist mein Zuhause.« Sie schien darauf zu warten, dass jemand etwas Schmeichelhaftes sagte.
    »Es sieht klein aus«, sagte Ed. »Sind Sie arm?«
    Frau Biber drehte sich bloß um und ging vor sich hin murmelnd zum Haus. Sie erwog ernsthaft, die Seite zu wechseln. Die Feiste Hexe mochte habgierig sein und nach Frittiertem stinken, aber diese Bagage hier war einfach unerträglich. Bei Asthma war man zwar ordentlich krankenversichert, aber alles hatte seine Grenzen.
    Sue wartete, bis Frau Biber außer Hörweite war, und zischte dann: »Ed! Was fällt dir ein! Das war unglaublich unhöflich!«
    Ed hörte gar nicht hin. Er malte sich gerade aus, wie er eines schönen Tages seine Geschwister um ihr Erbe betrügen würde. Groß würde es nicht sein, aber es ging ihm auch nur um die Vorstellung. In diese hübsche Träumerei versunken schaute Ed den Fluss entlang. Zwischen zwei großen, milchweißen Bergen erblickte er ein kleines Tal und noch weiter in der Ferne einen weiteren, völlig überwucherten Hügel. Da wohnt bestimmt die Feiste Hexe, dachte er. Irgendwie musste er die anderen überreden, ihn dorthin zu begleiten. Aber wie?
    »He, kommt einer von euch mit?«, fragte Ed. »Ich glaube, dahinten ist ein McDonald’s.«
    »Du kannst mich mal!«, murmelte Pete, der damit beschäftigt war, den Stamm zur Hütte zu schleifen. Mit der »Asthma«-Attacke und der Prügelei im Schnee hatte Ed sich das Vertrauen seiner Geschwister verscherzt. Er würde sie überlisten müssen.
    An der Eingangstür der kleinen Hütte drehte sich Frau Biber zu den Kindern um und sagte: »Ich wollte euch nur sagen, dass Ruth... anders ist.« Sue schnappte nach Luft, und Frau Biber beeilte sich zu erklären. »Nicht gefährlich - nur... anders. Ihr werdet es verstehen, sobald ihr sie seht.« Sie schloss die Tür auf und öffnete sie. »Schatz, wir sind da«, rief Frau Biber. »Ich hab die Menschen mitgebracht, Ruth...«
    Ruth war ein bisschen kleiner und schlanker als ihre Gefährtin, doch was den Kindern als Erstes ins Auge stach, waren ihre Haare, die zu einem voluminösen Arrangement von Dreadlocks gezwirbelt waren.
    »Oh, Gott, Naomi«, sagte Ruth mit kratziger Raucherstimme. »Das Haus ist nicht aufgeräumt, wir haben nichts zu essen, und ich hab die Jungs gerade erst ins Bett gebracht...«
    »Wir finden Ihr Haus ganz entzückend«, sagte Sue.
    »Diese Bruchbude?«, krächzte Ruth. »Du machst wohl Witze. Aber wenn ihr schon mal hier seid, setzt euch.«
    Jedes der Kinder nahm sich einen dreibeinigen Schemel. Als sie sich hingesetzt hatten, mussten sie feststellen, dass die Hocker alle ausgesprochen wackelig waren. Loo fiel von ihrem herunter — eines der Beine war so kurz, dass er nicht der geringsten Belastung standhielt, ohne umzukippen.
    Ruth ließ sich dadurch nicht aus dem Konzept bringen, sie war daran gewöhnt. Kommentarlos wandte sie sich an Naomi. »Was soll ich diesen kleinen Ratten denn zu essen geben?«
    »Menschen, Liebes. Atomssöhne und Ewaldstöchter«, sagte Naomi und deutete dabei erst auf die Jungen, dann auf die Mädchen. »Keine Sorge, wir haben auf dem Heimweg etwas zum Mitnehmen gefunden«, sagte Naomi mit einer aufgesetzt wirkenden Fröhlichkeit. Sie stieß Pete an.
    »Hier«, sagte Pete und zerrte den Baumstamm zu Ruth hinüber, die beide kühl musterte. Auf halbem Weg beschloss er, Ed den Stamm »versehentlich« auf den Fuß fallen zu lassen. Ed heulte auf.
    »Jetzt habt ihr’s geschafft«, beschwerte sich Ruth. »Ihr habt die Jungs aufgeweckt!« Sie eilte ins Nebenzimmer.
    »Ich hör gar nichts«, flüsterte Loo Naomi zu.
    »Steh da nicht so rum«, rief Ruth ihrer Gefährtin zu. »Hilf mir lieber!«
    Naomi, die total unter Ruths Pantoffel stand, sprang auf und hastete in das andere Zimmer. Kurz darauf tauchten sie und Ruth wieder auf, jede mit einem kleinen Holzscheit auf dem Arm.
    Ausnahmsweise war sogar Ed einmal sprachlos.
    »Das hier ist unser Sohn Woody«, sagte Ruth und präsentierte den Scheit wie ein Neugeborenes, sodass die Kinder das krakelige Gesicht sehen konnten, das darauf aufgemalt war.
    »Und dieser kleine Scheißer ist Chip. Wink doch mal, Chip! Na?«
    Halbherzig schwenkte Naomi den kleinen Zweig, der aus Chips Flanke hervorragte.
    »Soll das ein Witz sein?«, sagte Ed barsch. »Das sind doch bloß...« Sue trat ihm auf den

Weitere Kostenlose Bücher