Die Chroniken von Mondoria. Das Artefakt (German Edition)
sich völlig überrascht und starrte den heran fliegenden Goblin mit großen Augen an. Noch ehe es reagieren konnte, lag Bikka schon auf ihm und drehte ihm die Arme auf den Rücken. Der Kleine schrie und zeterte, und in Sekundenschnelle war wieder das ganze Lager auf den Beinen. Die Soldaten kamen mit gezückten Schwertern angelaufen und ergriffen den Übeltäter. Im Schein der Fackeln konnte Bikka nun erkennen, dass es sich gar nicht um einen Gnom handelte, sondern um einen Menschen, der aber nie die Größe eines Erwachsenen erreicht hatte. Kurz darauf umringten alle Reisenden den Winzling und schauten ihn mit bösen Blicken an. Der Hauptmann trat auf den Gefangenen zu und hielt die Flasche hoch, die sie ihm abgenommen hatten. „Wer bist du? Und was ist das für ein Zeug?“, fragte er ihn mit harter Stimme. Der Angesprochene warf ihm einen hasserfüllten Blick zu. Dann grinste er aufreizend und öffnete den Mund so weit er konnte. Darin befand sich keine Zunge. Offenbar hatte ihm jemand diese früher einmal herausgeschnitten. Nur ein vernarbter Stumpf befand sich noch im Mund. Ein überraschtes Raunen ging durch die Menge. Nur mit Mühe konnte der Hauptmann sich selbst zurückhalten. Am liebsten wäre er auf den grinsenden Kerl losgegangen und hätte ihn erwürgt . Ein Soldat trat nun auf den Hauptmann zu und flüsterte ihm etwas zu. Offenbar hatte sich der kleine Kerl in einem leeren Fass versteckt. Darin hatten die Soldaten noch weitere Flaschen mit der ominösen Substanz gefunden. Snip vermutete, dass es sich um ein Gift handelte, mit dem die Reisenden außer Gefecht gesetzt werden sollten. So hätten die Angreifer der letzten Nacht leichtes Spiel mit ihnen. Auch der Hauptmann schien auf den gleichen Gedanken zu kommen. Er packte den Gefangenen und drückte ihn mit seinem Gewicht auf den Boden. Dann griff er mit der linken Hand an die Außenseiten seiner Kiefer und drückte fest zu. Widerstrebend öffnete der Winzling seinen Mund ein wenig. Nun nahm der Hauptmann die Flasche und flöste dem am Boden Liegenden einen Schluck von der Flüssigkeit ein. Der strampelte und wand sich, konnte dem festen Griff des Soldaten aber nicht entkommen. Die linke Hand des Hauptmanns legte sich nun auf seinen Mund und seine Nase, um ihn so zum Schlucken zu bringen. Schließlich hatte er Erfolg. Der Gefangene schluckte das Gebräu herunter. Dann stieß er einen animalischen Schrei aus, der allen Anwesenden durch Mark und Bein ging. Wenig später durchlief ein unkontrolliertes Zucken seinen Körper. Er bäumte sich mit Panik in den Augen auf, dann erschlaffte er mit einem Mal. Sein Kopf fiel auf die Seite. Ein dünnes Rinnsal Blut lief aus seinem Mundwinkel. Der Hauptmann legte seine Finger an den Hals des Winzlings. Dann schüttelte er mit dem Kopf, stand langsam auf und ordnete an, sämtliche Trinkwasservorräte wegzuschütten, die Fässer gut zu reinigen und mit frischem Wasser neu zu befüllen. Sofort machten sich seine Soldaten an die Arbeit. Die Reisenden standen noch eine Weile da und schauten betreten auf den Toten. Keiner sagte ein Wort. Schließlich trat einer der Zwerge auf Bikka zu und legte ihm die kräftige Hand auf die Schulter. „Gut gemacht!“, sagte er einfach. Und alle spürten, wie viel Überwindung in diesen beiden Worten steckte.
Kapitel 16
Gierig blickte das „Phantom“ auf den großen Haufen Goldmünzen, die vor ihm auf dem Tisch lagen. Selbst im schwachen Licht der einsamen Ölfunzel funkelten sie und ließen es warm um sein Herz werden. Am liebsten hätte er sie augenblicklich in seine Taschen gestopft und wäre damit verschwunden. Doch der Mann, der ihm gegenüber saß, schaute ihn mit einem durchdringenden Blick an, der deutlich zeigte: Ich verstehe keinen Spaß! Und auch die beiden Söldner, die rechts und links von ihm standen, machten nicht den Eindruck, dass man sie leicht reinlegen konnte. Nach der misslungenen Aktion mit dem Amulett hatte das „Phantom“ sich mächtig geärgert. Noch immer fragte es sich, wo und wie er seine Beute hatte verlieren können. Da war nicht alles mit rechten Dingen vor sich gegangen. Umso mehr freute er sich, dass er nun doch noch Profit aus der ganzen Sache schlagen konnte. Dieser Fremde wollte doch tatsächlich diese stolze Summe allein für den Kohle-Abdruck des Amuletts bezahlen. Ein gutes Geschäft, wie das „Phantom“ fand, ein sehr gutes. „Nun gebt mir bitte die Zeichnung!“, sagte der Fremde und wirkte leicht ungeduldig. Hastig griff der
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