Die Chroniken von Ninavel – Die Blutmagier
der Nacken, während ich den Eispickel in den Stein trieb. »Spürst du, wo Simon ist?«
»Nein. Er hat meine Magie blockiert.« Als ich sein rechtes Bein frei hatte, wurde er aufgeregt und sah mich plötzlich wieder misstrauisch an.
»Dev … warum?«
Ich wusste nicht, was er meinte – warum ich zurückgekommen war oder warum ich ihn bei Gerran abgeliefert hatte. Indem Moment schaffte ich es nicht, ihn anzusehen, und zuckte nur die Achseln. Dabei wandte ich mich dem linken Fuß zu. Der Ring zitterte unter meinen Hammerschlägen. Bei den Göttern, warum dauerte das denn so lange?
»Dev …!« Kirans Panik scheuchte mich aus der Hocke hoch. Er schaute voller Entsetzen an mir vorbei.
Scheiße! Ich wollte rennen, doch eine unsichtbare Kraft legte sich um meine Glieder.
Dann packte mich jemand an der Schulter. Wäre meine Kehle nicht genauso gelähmt gewesen wie alles andere an mir, hätte ich die Peinlichkeit begangen zu kreischen. Halb erwartete ich, eine Knochenhand zu spüren, doch es war die Hand eines Menschen.
»Was soll der närrische Streich?« Die Hand drehte mich herum, und ich stand vor Simon. Sein Ton war milde, seine Augen voller Zorn. Eine Woge des Grauens durchlief mich.
Simon nahm mir Hammer und Eispickel aus der Hand und warf sie beiseite. Er musterte mich schräg und zog die Kette aus meinem Hemd. Das Amulett kam zum Vorschein. Er warf einen Blick darauf und ließ los.
»Ah, das erklärt vieles«, sagte er.
Hektisches Scharren zog meinen Blick nach unten. Kiran zerrte mit aller Kraft an dem letzten, bereits gelockerten Ring.
»Nichts da«, sagte Simon und kniete sich hin. Ich konnte nicht sehen, was er tat, aber als er aufstand, lag Kiran wieder ausgestreckt und angekettet da, als hätte ich keinen Finger gerührt.
Simon wandte sich wieder mir zu. Meine stillen Flüche stockten, als ich die kalte Vorfreude in seinen Augen sah. Er schnippte mit den Fingern. »Hat Ruslan dich geschickt?«
Oh Mann, ich spürte ihn in meinem Kopf. Ein eisiger Druck zwang die Antwort über meine Zunge. »Nein.« Ich überlegte schnell und fügte hinzu: »Aber die Alather wissen Bescheid. Über dich. Und den Grenzwall. Sie kommen.«
Seine Augen wurden schmal, er hielt meinen Blick fest, dann lachte er. »Aber nicht bevor ich hier fertig bin. Und hinterher ist es nicht mehr von Bedeutung. Ich kenne sie gut. Sie werden das Gebirge nicht überqueren.« Er fasste mich am Arm und zog mich von Kiran und den glühenden Linien weg.
»Ich hatte überlegt, bei dem Zauber nur gespeicherte Ikilhia zu benutzen, aber frisches Blut ist viel besser.« Er zog seinen Dolch.
Scheiße. Ich biss die Zähne zusammen und machte die Augen zu. Ich hatte mein Leben aufs Spiel gesetzt und verloren. Welche Schmerzen ich jetzt auch durchzustehen hatte, das Resultat wäre dasselbe wie bei einem Sturz aus der Steilwand oder wie bei einer Gerölllawine. Cara war in Alathien sicher, und so die Götter wollten, würde sie Melly das Leben ermöglichen, für das ich nun nicht mehr sorgen konnte. Ich hatte Steffol und Joreal zu diesem Tod verurteilt, da war es nur gerecht, wenn ich ihnen darin folgte.
»Simon, warte!« Kirans Stimme klang drängend. Ich linste mit einem Auge. Zu meiner Überraschung ließ Simon den Dolch sinken.
»Möchtest du es besser sehen können?«, fragte er spöttisch.
»Er ist stark behaftet. Oder war es jedenfalls«, sagte Kiran.
»Tatsächlich?« Simon musterte mich so boshaft, dass mir schlecht wurde.
Ich verstand nicht, welche Rolle das spielen könnte. Aber Simon hakte nach. »Ist das wahr?« Er schnippte wieder mit den Fingern und zwang mir die Antwort ab.
»Ja.«
Simon zog die Brauen hoch. »Also gut. Ich will eine nutzbringende Person nicht vergeuden.« Er sah zu Kiran. »Er wird dir nicht dankbar sein. Die Schmerzen, die es verursacht, wenn man einen Verstand über mehrere Tage sorgfältig zerstört, übersteigen alles, was ich hier geplant hatte.«
Das drehte mir den Magen um. Sich mit einem Magier anzulegen bringt den Tod oder Schlimmeres, sagten die Ninaveler gern in unheilvollem Ton. Wie es aussah, wüsste ich bald, was »Schlimmeres« bedeutete.
EINUNDZWANZIG
KIRAN
K iran verdrehte den Kopf, um zu sehen, wie Simon den wehrlosen Dev von dem Wirkmuster wegführte. An der einen Höhlenwand standen Kisten gestapelt, die Überreste von Simons Zauberutensilien. Simon setzte Dev auf eine Kiste.
»Bleib hier.« Er zog ein Voshanoi-Sigillum in die Luft, um die Knochenbindung zu verstärken, die
Weitere Kostenlose Bücher