Die Chroniken von Ninavel – Die Blutmagier
Boden, abgesehen von einem kurzen Seitenblick zu mir, und spielte scheinbar gelangweilt mit Kieseln. Jetzt aber spürte ich, wie er aufmerksam zuhörte, obwohl er nicht aufblickte.
Cara setzte sich, das Abendessen in den Händen, an ein Wagenrad. »Gewöhnlich nicht, aber in den Bergen kann das Wetter sonderbar sein. Ich habe es schon mitten im Sommer schneien sehen.«
Überraschenderweise machte auch Jerik mal den Mund auf. »Die Frage ist berechtigt. Ein so starkes Gewitter, bevor es richtig Sommer ist … das erinnert an das Wetter vor zwanzig Jahren während des Magierkrieges.« Er runzelte die Stirn.
»In dem Jahr warst du unterwegs?« Cara klang beeindruckt. »Muss eine höllische Fahrt gewesen sein.«
»War es«, bestätigte Jerik knapp.
Mein Respekt vor ihm nahm sprunghaft zu. Von dem Krieg hatte ich nichts mehr in Erinnerung, da ich zu der Zeit gerade laufen gelernt hatte. Aber die Geschichten darüber kannte ich wie jeder andere auch. Damals gab es unter ein paar mächtigen Magiern einen Streit. Sechaveh beachtete ihn eine Zeit lang nicht und behielt seine Nichteinmischungspolitik bei. Als aber die Magier dermaßen mit Magie um sich warfen, dass die Stadt beschädigt wurde und unbeteiligte Leute dabei umkamen, wurde er sauer und schritt ein.
Die Geschichten unterscheiden sich darin, was er tat. In manchen heißt es, er habe die beteiligten Magier töten lassen, in anderen, er habe sie lediglich verbannt. Auch darüber, wie er das eine oder andere bewerkstelligt haben sollte, herrscht keine Einigkeit. Das Endergebnis bestand jedoch darin, dass in der Stadt der gewohnte Alltag wieder einkehrte. Es waren ein paar ganz verrückte Monate gewesen, und durch den Großeinsatz magischer Kräfte hatte auch das Wetter verrückt gespielt. Man hörte von Gewitterstürmen mit farbigen Blitzen, von denen Leute erblindeten, die so dumm waren, zu lange hinzusehen, und von menschenkopfgroßen Hagelkörnern.
Ich fragte mich, ob Kirans Reaktion auf das Gewitter mit diesen Geschichten zu tun hatte, und sah ihn verstohlen von der Seite an. Er war einige Jahre jünger als ich und damals wahrscheinlich noch gar nicht auf der Welt gewesen. Möglich, dass ihm, als er noch klein war, jemand grausige Dinge darüber erzählt und ihm Angst gemacht hatte. Trotzdem war es schwer vorstellbar, dass er deswegen wie ein aufgescheuchtes Kaninchen in das Katzenkrallendickicht geflüchtet war. In dem Moment fiel mir ein, wie erschrocken er gewesen war, als ihm klar wurde, dass eine Botschaft nach Ninavel gehen könnte. Schloss er etwaaus dem Gewitter, dass ein Magier hinter ihm her war? Konnte ich mir nicht vorstellen. Selbst ein Nobelbürschchen sollte wissen, wie blödsinnig dieser Gedanke war. Ein Magier bekam, was er wollte, und fackelte damit nicht lange. Hätte einer Kiran aufhalten wollen, wäre der Junge schon tot. Nein, es musste einen anderen Grund haben.
Jetzt sah Kiran überhaupt nicht ängstlich aus, im Gegenteil. Seine Faszination war ganz offensichtlich, und ich konnte praktisch zusehen, wie sich eine Frage nach der andern in seiner Kehle staute.
»Der Magierkrieg.« Pello wiederholte das ganz genüsslich. »Das ist ein Gedanke, der einem Mann den Schlaf rauben kann.« Seine Stimme bekam einen sonderbaren Beiklang. Ich beugte mich vor und wünschte, seine Augen lägen nicht im Dunkeln.
»Mit Sicherheit«, pflichtete Harken bei. »In dem Jahr bin ich mit einem Konvoi bis in den äußersten Osten Arkennlands gefahren, weshalb mir die ganze Aufregung entgangen ist. Aber nach allem, was meine Schwester darüber berichtete, bedaure ich das nicht. Sie verlor damals ihren Mann und zwei Neffen – allesamt Steinmetze. Sie setzten gerade das Südtor instand, als ein Magierkampf losging. Die Mauer stürzte ein und begrub den Bautrupp unter sich.«
Jerik stand auf. Er wirkte angespannt. »Ich werde mal nach den Pferden sehen, bevor ich mich aufs Ohr haue«, kündigte er an und ging, ohne sich noch mal umzudrehen.
Pello gab sich schwer enttäuscht und legte sein bewegliches Gesicht in Falten. Cara stieß ihn an der Schulter an. »Erwarte von Jerik keine Lagerfeuergeschichten, außer er hat eine Menge Sarkosawein genossen, dann lässt er sich erweichen. Der kriegt die Zähne so schlecht auseinander wie ein Tellereisen.«
»Das merke ich mir«, sagte Pello, sah zu uns herüber und nickte mir zu. Dabei hatte sein Lächeln mehr als einen Hauch Ironie. Ich verkniff mir einen bösen Blick, als er sich verabschiedete und endlich
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