Die Chroniken von Waldsee Trilogie Gesamtausgabe: Dämonenblut Nachtfeuer Perlmond (German Edition)
»Olrig, lass sofort wieder anspannen, und dann geht es weiter, und zwar in Höchstgeschwindigkeit!«
»Und wohin?«
»Ihr müsst die Freie Straße erreichen, dort seid ihr sicher. Wenn ihr euch beeilt, könnt ihr es noch heute Nacht schaffen! Lauft ohne Pause, auch in der Dunkelheit, bis ihr dort seid!«
»Aber ... das schafft Rowarn nicht!«, wandte der Zwerg ein.
»Natürlich schafft er es nicht«, versetzte Noïrun. »Aber wir haben Glück im Unglück. In der Nähe kenne ich jemanden, der uns helfen kann.«
»Du ... du willst dich von uns trennen?«
»Olrig, denk nach! Rowarn hat nicht wegen des Bisses geschrien, sondern wegen eines furchtbaren Geräusches, das ich ganz entfernt auch wahrnehmen konnte. Und gleich darauf sind die Chalumi verschwunden! Das bedeutet, es sind abgerichtete Schlangen, und sie werden wiederkommen. Nimm den Kupferhengst und Windstürmer, damit der Feind glaubt, wir wären noch bei euch. Ich brauche nur ein Pferd, denn Rowarn kann sowieso nicht mehr allein reiten. Ich bringe ihn so schnell es geht zu heilenden Händen.«
Rowarn hätte gern etwas dazu gesagt, aber seine Zunge war angeschwollen und drückte schwer gegen den Gaumen. Er nahm einen Duft nach Tannen und Honig neben sich wahr und erkannte daran Morwen.
»Vater ...«, sagte sie besorgt. »Ich kann das tun.«
»Nein, Tochter«, lehnte er ab. »Das kann ich besser, glaube mir. Gleichzeitig bin ich vorerst in Sicherheit – und das wolltet ihr doch, nicht wahr? Keine langen Reden mehr, sonst ist es für Rowarn zu spät. Die nächsten Stunden sind entscheidend, und zwar für uns alle.«
»Du hast recht«, erklang Olrigs Bass. »Wo treffen wir uns?«
»Am Freien Haus.«
»Verstehe. Die anderen direkt weiter nach Ardig Hall, ja?«
»Genau, alter Freund. Passt auf euch auf.«
Rowarn merkte, wie jemand ihn hochhob, und dann saß er auf einem Pferd. Hinter ihm schwang sich Noïrun hinauf und hielt ihn fest wie ein Kind. Rowarn war völlig schlaff, seine Muskeln gehorchten ihm nicht mehr, er konnte kaum noch die Lider offen halten, und sein Kopf pendelte hin und her. Ein wenig wunderte er sich, wie früh es heute dunkel wurde, aber das interessierte ihn nicht mehr sonderlich.
»Es wird alles gut«, hörte er Noïruns Stimme dicht an seinem Ohr. »Wir schaffen es rechtzeitig, ich verspreche es dir.«
Und dann galoppierten sie los.
Etwa zwei Stunden später erreichte Noïrun auf einem schäumenden Pferd einen See mit einer Wassermühle und einem Wohnhaus ein paar Speerlängen weiter, auf das er zuhielt.
»Heda!«, rief er schon von weitem. »Ich brauche dringend Hilfe!«
Die Tür wurde aufgerissen. Eine kleine, anmutige Frau, deren schwarze Haare von einem hauchfeinen Netz feiner Süßwasserperlen bedeckt waren, stieß mit weicher Stimme hervor: »Noïrun!«
»Wir brauchen deine Heilkunst, Isa«, sagte der Fürst eilig. »Chalumi-Gift, in dem Jungen hier.« Er schaffte es irgendwie, sich und Rowarn von dem Pferd herunterzubekommen, ohne sich den Hals zu brechen, aber er konnte sich ein schmerzliches Stöhnen nicht verkneifen, als er dabei den verstauchten Fuß zu stark belastete.
»Und was fehlt dir?«, fragte die Frau.
»Ein neuer Fuß«, brummte er. »Wenn du Rowarn versorgt hast, kannst du gern bei mir weitermachen.«
Gemeinsam schafften sie Rowarn, der inzwischen von Schüttelfrost gequält wurde, ins Haus. Isa bereitete ein Felllager neben dem Kamin, auf das sie den jungen Ritter legten, der sich zähneklappernd hin- und herwarf.
»Das sieht böse aus«, stellte Isa fest, als sie seine Hand untersuchte. Obwohl Rowarn halb bewusstlos war, schrie er bei jeder Berührung auf. »Wie lange ist es her?«
»Zwei, höchstens drei Stunden«, antwortete Noïrun. »Kannst du die Hand retten?«
»Will froh sein, wenn ich ihn retten kann.« Sie legte Rowarn einen ersten, schmerzlindernden und giftziehenden Verband um; dann suchte sie mit geübten Handgriffen Kräuter, Salben und Öle zusammen und setzte heißes Wasser auf.
»Ich habe das Gift gleich ausgesaugt«, erklärte Noïrun.
»Ja, sonst wäre er schon tot. Die Chalumi sind verdammte Giftspritzer, eine Plage in diesem Gebiet. Alle zehn Tage muss ich mindestens einen Biss behandeln.« Sie legte eine Hand auf die glühende Stirn des Verwundeten.
»Er wird es schaffen«, stellte Noïrun entschieden fest. »Dieser Junge hält mehr aus als wir alle zusammen.«
»Ich bin fast geneigt, dir zu glauben. Sieh mal, der Schüttelfrost lässt schon nach. Erstaunlich. Also
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