Die Chroniken von Waldsee Trilogie Gesamtausgabe: Dämonenblut Nachtfeuer Perlmond (German Edition)
kostbare Helm mit den gebogenen Widderhörnern und der Gesichtsmaske war noch da, aber das war kein Wunder. Niemand außer Angmor selbst konnte den Helm abnehmen, er war durch einen Zauber fest mit dem Haupt verbunden. Ein Bann des Ordens, wie Olrig erzählt hatte; kein Visionenritter hatte je sein Gesicht offenbart.
Und Angmor trug den Helm noch aus einem weiteren Grund: Sein Gesicht war durch einen Angriff von Femris furchtbar verunstaltet. Einst hatte eine neugierige Magd sich nicht zurückhalten können und Angmor heimlich beobachtet, als er sich allein wähnte und den Helm abnahm. Schreiend und dem Wahnsinn nah war sie davongelaufen. Olrig hatte ferner schaudernd von einem Moment während eines gemeinsamen abendlichen Spaziergangs berichtet, als Angmor sein Gesicht nur mit einer Kapuze verhüllt und der Zwerg einen Blick auf das vernarbte Kinn geworfen hatte.
Die Herkunft der Visionenritter war stets geheim gehalten worden. Es hieß, dass Angmor der Letzte von ihnen sei. In der kaum vergangenen Schlacht hatte er Femris beinahe überwunden. Beinahe .
Und nun war er dank Rowarn hier.
»Herr Angmor«, rief Rowarn leise.
Der Visionenritter drehte leicht den Kopf. »Rowarn? Bist du das, Junge?« Freude schwang in der tiefen Stimme mit. Angmor erhob sich und kam mit unsicheren, leicht schwankenden Schritten zur Gittertür. Rowarn wollte eine Warnung ausstoßen, als er sah, dass Angmor nicht rechtzeitig anhielt, doch zu spät. Der Visionenritter stieß an das Metall. Vorsichtig tastete er das Gitter ab, die Handschuhe hatte er abgelegt. Dann streckte er eine Hand hindurch.
»Große Götter«, stieß Rowarn erschüttert hervor und ergriff die suchende Hand. »Was haben die mit Euch gemacht ...«
»Nichts«, antwortete Angmor.
»Aber Ihr ... Ihr seid ...«
»Blind? Mach dir keine Sorgen. Das geht vorbei. Das ist Teil meiner Schwäche nach einer Schlacht wie dieser. Und ... nach einem Kampf gegen Femris. Ich werde mich schneller erholen als er.« Er tastete Rowarns Gesicht nun mit beiden Händen ab, und der junge Ritter fühlte die rauen, kühlen Finger über sich gleiten, die ihn zugleich seltsam wärmten. »Aber du«, fuhr Angmor fort. »Geht es dir gut? Zumindest dein Gesicht scheint unversehrt ... selbst in der Dunkelheit meines Geistes sehe ich dich schimmern ...«
»Ja, sie behandeln mich gut. Ich weiß nicht, warum.«
»Wissen sie, wer du bist?«
»Nein, Herr, ich habe nichts gesagt. Ich habe auch keine Fragen beantwortet«, gab Rowarn Auskunft.
»Ich weiß nicht, wie lange wir schon hier sind, ich schwanke stets zwischen Licht und Dunkelheit. Es kommt mir fast wie eine Ewigkeit vor. Ich konnte nicht in Erfahrung bringen, wie es dir geht, daher bin ich froh, dich endlich wohlauf vorzufinden.«
»Herr Angmor, ich habe ver...«
Angmor zuckte plötzlich zurück, seine Hände fuhren an den Helm, und er stöhnte leise. Er drehte sich zur Seite und stützte sich mit der Schulter an der Tür ab. »Geh jetzt, Rowarn«, erklang seine gepresste Stimme. »Ich brauche Ruhe.«
»Was habt Ihr?«, flüsterte Rowarn tief beunruhigt. Diesen großen, mächtigen Mann so ... schwach zu erleben, ängstigte ihn mehr als alles andere.
»Es ist nichts weiter«, versuchte der Visionenritter herunterzuspielen. »Kaum von Bedeutung.«
»Ich werde etwas gegen Eure Schmerzen auftreiben«, sagte Rowarn verzweifelt. Er fühlte sich hilfloser und schuldiger denn je.
»Nichts an diesem Ort kann mir Linderung verschaffen«, murmelte Angmor müde. »Manchmal glaube ich, dass meine Kräfte zurückkehren, aber dann bin ich schwächer als zuvor ...«
Rowarn legte die Hände ans Gitter und sah sich um. Die Wachen standen reglos vorn am Eingang und kümmerten sich nicht um ihn. Vielleicht war diese Begegnung Absicht gewesen und gehörte zu seiner »Erziehung«: zu sehen, dass Ardig Hall wirklich verloren war, weil auch der letzte Visionenritter gefallen war. Ein schwacher Gefangener, nutzlos und kraftlos. »Ich bringe Euch hier raus«, sagte Rowarn bitter. »Ich arbeite jeden Tag daran, Herr. Wir werden von hier entkommen, ich finde einen Weg, komme, was da wolle. Schließlich ist es meine Schuld, dass ...«
»Red keinen Unsinn, Kind«, unterbrach der Visionenritter mit gedämpfter Stimme. »Du trägst an nichts Schuld. Wir haben die Schlacht verloren, das ist alles. Es wird eine andere geben, die uns den Sieg bringt. So läuft das immer.« Die Kräfte verließen ihn endgültig, und er rutschte langsam an den Gitterstäben
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