Die Chroniken von Waldsee Trilogie Gesamtausgabe: Dämonenblut Nachtfeuer Perlmond (German Edition)
»Erst recht nicht bei so besonderen Wesen, wie ihr es seid.«
Als der Tag gekommen war, stand Rowarn zwei Stunden vor dem Morgengrauen auf und ging allein im nächtlichen Wald spazieren. Nicht einmal Graum, sonst stets sein unauffälliger Schatten, hatte sein Davonschleichen bemerkt.
Es war kalt, aber der schneidende Frost war gebrochen. Rowarn kuschelte sich in seinen Winterumhang und genoss die frische Luft. Still ragten die dunklen Stämme der Bäume um ihn auf, nichts regte sich. Über ihm glitzerte der Sternenhimmel zum Greifen nah. Nur Ishtrus Träne strahlte weit entfernt, und rechts daneben fiel Rowarn zum ersten Mal ein dünner Staubschleier auf – die Überreste des zerstörten Mondes, von dem Arlyn erzählt hatte. Früher hatte er nie darauf geachtet.
Rowarn fühlte sich eins mit sich und der Welt, zufrieden und für alles gewappnet. Als er ein bläuliches Leuchten zwischen den Bäumen auf sich zukommen sah, konnte er es kaum fassen, und für einen Moment war er in Versuchung, so schnell wie möglich zum Haus zurückzulaufen und Angmor zu alarmieren. Aber vielleicht würde die Aurengestalt ihm dorthin folgen, und dann würde Arlyn ...
»Du wagst dich hierher ?«, zischte er, als der Unsterbliche bei ihm verhielt.
»Ich sagte dir, dass wir uns bald wiedersehen«, erwiderte Femris. »Du gehörst mir.«
»Aber dieser Ort ist heilig ...«
»Und ich bin weder stofflich noch übe ich meine Macht aus. Doch du solltest allmählich wissen, dass du nirgends vor mir sicher bist. Du kannst mir nicht entkommen.«
»Ich fliehe nicht«, sagte Rowarn ruhig, obwohl er innerlich aufgewühlt war. »Aber ich werde dir auch nicht folgen, und ich gehöre dir ganz gewiss nicht.«
»Weil du glaubst, einer anderen zu gehören?« Femris lachte spöttisch. »Glaubst du, du wirst stärker, indem du Arlyns Macht an dich bindest?«
»In erster Linie geht es mir um Arlyns Schutz«, machte Rowarn deutlich.
»Es gibt keinen Schutz für sie«, zischte Femris. »Dieser Bund wird euch beide vernichten. Jede Bindung ist der Grundstein für einen Angriff.«
»Davor fürchte ich mich nicht«, erwiderte Rowarn mutig. »Du bist allein, selbst Tamron hat dich verlassen. Es gibt niemanden, der dir Rückendeckung bietet. Das ist doch das Wesen der Finsternis, nicht wahr? Die Einsamkeit. Die Bindung an die Leere.«
»Sie ist das Gleichgewicht.«
»Was ist das schon ohne Harmonie, Femris. Lichtlos und kalt! Genau das wird dich erwarten, wenn du dem Ruf der Finsternis weiter folgst.«
»Du hast keine Vorstellung«, flüsterte Femris düster, »zu welchen Dingen ich fähig bin. Und was ich tun werde, wenn das Tabernakel vollständig in meinem Besitz ist.«
»Dann wirst du vielleicht noch tiefer fallen als wir alle«, versetzte Rowarn. Innerlich graute ihm. Femris stieß keine leeren Drohungen aus, er wusste genau, wozu er fähig war. Nicht auszudenken, wenn er tatsächlich das Tor für die Finsternis öffnete ...
Femris hob die Hand. »Wenn du Arlyn wirklich schützen willst, dann gehe nicht den Bund mit ihr ein, und lasse sie hier im Schutz Farnheims. Andernfalls wirst du sie verlieren und auch dich selbst.« Er wandte sich zum Gehen, dann fügte er noch etwas hinzu: »Du kannst nicht immer darauf vertrauen, rechtzeitig gerettet zu werden.«
Rowarn stutzte. »Der Waldlöwe ...«, flüsterte er. »Er war also wirklich da? Es war keine Illusion? Wer war er?«
»Das spielt keine Rolle mehr«, sagte Femris ruhig.
Eine eiskalte Hand griff nach Rowarns Herz. »Du hast ... ihn ...«
Der Unsterbliche lächelte grausam und schritt durch die Bäume davon. Alles um ihn verdorrte. Rowarn wusste, dass Femris nur gekommen war, um ihm zu zeigen, dass es keine Barrieren für einen Mächtigen wie ihn gab, nicht einmal den heiligen Boden Farnheims.
Der junge Mann stürzte ihm nach, obwohl er wusste, dass er die Aurengestalt nicht aufhalten konnte. »Wie konntest du nur?«, schrie er. Er stockte, als Femris sich ihm noch einmal zudrehte, und ein Schauer des Entsetzens lief ihm über den Rücken hinab.
»Meine letzte Warnung an dich, Rowarn«, sprach Femris so kalt, dass dem König ein eisiger Frosthauch ins Gesicht wehte. »Bring mir die Splitter. Andernfalls wirst du alles verlieren, woran dein Herz hängt. Tausende werden sinnlos sterben, und dieses Land wird zugrunde gehen. Ich werde keine Gnade walten lassen. Es liegt allein an dir.«
Damit war er fort, und Rowarn blieb erschüttert zurück. Als er sich umdrehte, sah er Angmor am Wegerand
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