Die Chroniken von Waldsee Trilogie Gesamtausgabe: Dämonenblut Nachtfeuer Perlmond (German Edition)
oder auf eine Verabredung zu warten.
Langsam stieg Rowarn die westliche Treppe hinauf, jeden Augenblick darauf gefasst, aufgehalten zu werden. Aber niemand kümmerte sich um ihn. Neugierig betrat er das Gebäude und fand sich in einer großen Wandelhalle mit vielen Säulen wieder. An den Seiten führten unzählige Türen tiefer hinein und Wendeltreppen in den ersten Stock hinauf. Die Halle war überaus geschickt mit Kristallleuchtern erhellt, die das von den Fenstern hoch oben einfallende Licht auffingen und vielfarbige Lichtmuster an Wände und Decke malten. Auch die Fenster oben waren bunt, sie zeigten Abbilder früherer Zwergenherrscher und höfische Szenen. Es duftete herrlich nach erlesenen Ölen, die in kleinen Schalen verdampft wurden. Leute gingen in Gespräche vertieft zwischen den Säulen umher oder ließen sich an einem der vielen Tische nieder. Dienstmägde und Knechte eilten geschäftig durch den Saal und brachten Speisen und Getränke. An manchen Tischen wurde auch gewürfelt oder Schach gespielt. Ehrwürdige weißhaarige Zwerge in der Tracht von Gelehrten führten Gruppen von staunenden Kindern herum oder unterrichteten sie in Nischen. An hellen Bogenfenstern sah Rowarn Poeten, die mit gespitzter Feder über Pergament brüteten, und Bänkelsänger übten leise ein neues Lied.
Der Boden, die Säulen, sämtliche Wände bis zur Decke hinauf waren mit kostbaren Mosaiken bedeckt, teils aus Gold und Silber und mit glitzernden Juwelen versehen. Die Geschichte der Gandur, so vermutete Rowarn aufgrund der Motive, die sich über die ganze Halle erstreckten und auf ungewöhnliche Weise ein Gesamtbild ergaben. Eine so prächtige Halle hätte er sich niemals vorstellen können. Erwärmt wurde sie durch gewaltige Kamine und große Kerzen, die entlang des Hauptgangs aufgestellt waren.
Fast ehrfürchtig ging der junge Mann weiter, durchquerte die Halle und entdeckte schließlich am hinteren Ende, von zwei Seiten durch klare Glasfenster beleuchtet, den Thron des Hochkönigs der Zwerge. Ein kunstvoll geschnitztes Gebilde mit hoher Lehne, aus dunklem, glänzendem Holz, ruhte er auf einem dreistufigen Podest.
Davor stand eine Gruppe Zwerge in erregter Diskussion. Rowarn sah eine ungewöhnlich große und ebenso ungewöhnlich schlanke Zwergenfrau mit einer Frisur wie ein Kunstwerk, in das hunderte winziger Diamantsplitter eingearbeitet waren. Dazu trug sie ein in Gold und Purpur gehaltenes langes, figurbetontes Seidengewand und goldene Halbschuhe. Arme, Hals und Ohren der Dame waren mit kostbarem Schmuck behangen, und sie trug an jedem Finger mindestens zwei Ringe. Neben ihr stand ein gleich großer, massiger Zwerg mit bauchlangem, aufwändig geflochtenem Bart und zurückgekämmten dunklen Haaren, die an den Seiten geflochten waren. Im Nacken wurden die Haare von einem breiten goldenen Ring zusammengefasst. Er trug einen langen Überwurf aus Samt in Blau und Gold, der vor dem imposanten Bauch von einem breiten Gürtel gehalten wurde, dazu dunkelblaue Beinkleider und wadenlange weiche schwarze Lederstiefel. Zwei schwere Ringe steckten an der rechten Hand und ein großer dunkelgrüner Edelstein im linken Ohrläppchen.
Rowarn zögerte, er wusste nicht, was er tun sollte. Augenscheinlich war das Herrscherpaar beschäftigt, noch dazu mit einer bedrückenden Angelegenheit, ihren Mienen nach zu urteilen. Die Königin tupfte sich immer wieder die Augen mit einem Tuch ab. Suchend sah der junge Mann sich nach jemandem um, der ihn anmelden könnte, aber dafür schien niemand zuständig zu sein. Sollte er lieber verschwinden und ein andermal wiederkommen?
Er wollte sich gerade zum Gehen wenden, als der König ihn bemerkte.
»Ah!«, rief er und seine Miene wandelte sich augenblicklich. »Er ist angekommen! Nur herbei, junger König Rowarn von Ardig Hall! Seid willkommen in meiner Halle.«
»Es tut mir leid, Euch unterbrochen zu haben«, sagte Rowarn und verneigte sich. Er hoffte, dass man ihm seine Verblüffung über die Begrüßung nicht anmerkte. Zugleich wurde er in seiner Vermutung bestärkt, die ihn hierher geführt hatte.
Der König stapfte auf ihn zu, trotz seiner Masse mit zwergentypischer Behändigkeit, und klopfte ihm auf die Schulter; so weit reichte er tatsächlich hinauf. Er musste größer als Olrig sein. »Nicht so formell, junger Herr, Eure Herkunft ist nicht weniger edel als die meine, wahrscheinlich sogar mehr. Schließlich bin ich kein Thronerbe, sondern ein gewählter König, wenngleich wohl auf
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