Die Chronistin
sie und erhob sich rasch, indessen er die Münzen abzählte.
»Mir scheint es, dass Euch bislang solche Münzen zu schmutzig waren, um damit zu handeln«, meinte Isaac mit leisem Spott, ließ kurz das Zählen sein und zog an seinem spitzen Bart.
»Dafür seid doch Ihr da, nicht wahr?«, erwiderte Sophia mürrisch.
Sie war nicht gerne hier. Nicht der geheime Zweck, den sie verfolgte, deuchte sie verboten, jedoch, einen Juden und darum Geächteten aufzusuchen.
Isaac tat ihr nicht den Gefallen, den leidigen Besuch abzukürzen. Nachdem er die Münzen abgezählt hatte, kramte er nach einem Buch, das zerfleddert und fleckig war. Auf einem der Vorsatzblätter notierte er Zahlen.
»Gewiss... wir helfen gerne guten Christenmenschen aus«, sprach er indessen stichelnd. »So gerne, dass wir gar vergessen, wie wir vor zwanzig Jahren noch aus dieser Stadt vertrieben worden sind. Habt Ihr ein Haus beim Place de Grève oder in Germain-l’Auxerrois? Es könnte sein, dass es das meine ist, das mir seinerzeit gestohlen wurde.«
»In jedem Falle träfe meinen Gatten die Schuld, nicht mich«, erwiderte Sophia und griff hastig nach dem Geldbeutel.
Isaac hielt ihn fest. Sein Gesicht spiegelte das fahle Licht.
»Ihr müsst kein schlechtes Gewissen haben«, spottete er mit bissiger Stimme, aber in seinen Augen spiegelte sich kein Lächeln. »Als König Richard zum König gekrönt wurde, hat man in England unsereinem mit Äxten den Schädel zerspalten oder ihn in Holzhäuser getrieben und angezündet. Und siehe da, hier raubte man uns Hostienschändern und Gottesmördern nur den Besitz.«
»Nun, der Name meines Gatten war Bertrand de Guscelin – und wenn er Euresgleichen gemordet hat, so im Heiligen Land und nicht hier in Paris.«
»Guscelin? Ihr seid verwandt mit Théodore?«
Erstmals entglitt ihm sein Spott, und die träge Gestalt wurde wendig. Die Verachtung, die bisher in all seinen Gesten und Worten gelegen hatte, schwand so schnell, als säße jäh ein anderer Mensch an Sophias statt vor ihm. Nicht länger war sie Teil der arroganten Pariser, die seiner Dienste bedurften, um ihn am nächsten Tag schon zu treten, wenn sich der rechte Anlass bot.
»Gewiss«, entgegnete Sophia und war über sein befremdendes Gebaren verwirrt, »was geht’s Euch an?«
Er zog erneut an seinem spitzen Bart, diesmal nicht, um ihre Geduld zu erproben, sondern nachdenklich.
»Théodore ist ein guter Mann«, murmelte er bedächtig. »Ja, so ist’s: ein guter Mann. Er disputiert mit unsereinem ganz ohne Vorwurf, wir seien Christusmörder. Wohingegen andere an Plänen spinnen, uns in ummauerte Viertel abzuschieben, anstatt uns im Herzen von Paris wohnen zu lassen, geht er auf uns zu, als lebten wir in einer Welt – und nicht in einer geteilten. Selten sah ich einen Christen mit so viel Bildung, so viel Verstand und mit so wenig Vorurteil. Man hört ihn Petrus Abaelard zitieren, welcher sagte, dass die Juden keine Schuld an der Kreuzigung Christi trügen, dass sie aus Unwissenheit gehandelt hätten, was gleichsam heißt, es fehlte ihnen jegliche böse Absicht. Ja, dies sagt Théodore de Guscelin, und man sieht’s ihm an, dass er es glaubt und danach handelt. Jedoch...«
Sophia hatte stolz einhaken wollen, um genannte Vorzüge auf ihren Einfluss zurückzuführen, wiewohl sie sich nicht entsinnen konnte, mit Théodore jemals dieses Thema disputiert zu haben.
Isaac aber hob die Hand und hieß sie zu schweigen. »Jedoch... er sollte Obacht geben. Unsereins spürt schneller, wenn sich Unheil zusammenbraut. Ich weiß nicht, was der König plant... und ich weiß nicht, ob’s uns trifft. Aber Théodore sollte sich hüten, vor den Falschen seine Meinung zu bekunden.«
»Théodore muss sich gewiss nicht vor dem König fürchten!«, rief Sophia überzeugt. »Er ist der Lehrer des Dauphins!«
Isaac zuckte nur die Schultern. »Ob das genügt, ihn zu schützen?«, fragte er zweifelnd, schob ihr endlich den Geldbeutel hin und sagte kein Wort mehr.
Sie nahm es hin – zu stolz, um nachzubohren, und obendrein überdrüssig, seine kryptischen Worte nach ihrem Sinn zu erkunden.
»Dummes Geschwätz«, knurrte sie, indessen sie die enge Treppe zwischen muffigen, modrigen Mauern hochstieg. Was immer da verheißen ward – erst galt es, das größte Problem zu lösen.
Sie musste Christian Tarquam loswerden. Sie musste ihn für das Versprechen bezahlen, Théodore niemals wieder zu nahe zu treten und mit leichtsinniger Rede zu zerstreuen.
Sie zog sich die
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