Die Chronistin
geschehen?«, entfuhr es ihr, ehe sich die andere ihr erklären konnte.
Isidora starrte so verachtend, als wolle sie ihr das blutige Bad sogleich ins Gesicht stürzen.
»Théodore«, sagte sie schließlich schlicht, »Théodore... hat sich verletzt.«
»Ist er schon wieder über sein lahmes Bein gestolpert? Habe ich ihm nicht gesagt, er solle besser Acht geben? Und warum kommt er nicht zu mir, um sich von mir pflegen zu lassen?«
Isidora lachte bitter auf. »Ich denke, er versucht, die Wahrheit vor Euch zu verbergen... und die Wahrheit ist, dass böse Geister in ihn gefahren sind. In meiner Heimat nannte man sie die sayatin – und Ihr, ma Dame, Ihr habt sie auf ihn gehetzt.«
Ihre unversöhnliche Stimme verstärkte Sophias Missfallen – vor allem aber der bedrohlichen Vorwurf.
»Was wollt Ihr damit sagen?«, rief sie zornig. »Was geht hier eigentlich vor?«
Isidora stellte die Blutschüssel ab.
»Ihr seid doch die Hausherrin, Sophie de Guscelin!«, erwiderte sie. »Ist es denn meine Schuld, dass Ihr die Einzige seid, die keinerlei Ahnung von... von dem Unheil hat?«
»Von welchem Unheil? Ich weiß, dass Théodore eine glänzende Zukunft bevorsteht. Ich weiß, dass er viele Schüler hat, die sich begeistert um ihn scharen – und einer davon ist der Thronfolger. Er wird ein großer Lehrer der Theologie sein, er wird zum Priester geweiht werden – und als solcher wird er der engste Berater des künftigen Königs sein.«
Isidoras heiles Auge blickte kalt. »Ist das sein Wille?«, fragte sie schlicht.
»Würde er zu anderem taugen, würdet Ihr nicht seine blutigen Verbände waschen müssen!«, wehrte sich Sophia schrill. »Er ist ein Krüppel, der keine geraden Schritte machen kann. Niemals hätte er Ritter werden können – und er hat das auch verstanden, damals, als er noch ein kleiner Junge war. Er weiß genau, was er mir zu danken hat, nachdem ich ihm so viel ermöglicht habe. Wer sonst hat sich denn um ihn geschert! Sein zaubernder Vater? Seine langsam verfaulende Mutter?«
Isidora blickte sie noch verächtlicher an. Kurz vermeinte Sophia, sie würde ihr sogleich vor die Füße spucken. »Dieses glänzende Leben, das Ihr ihm zuschiebt... es tötet ihn.«
»Ach Unsinn!«, rief Sophia unwirsch. »Er hat sich mir stets gebeugt – und hat solcherart vieles erreicht. Er könnte zufrieden sein, wenn es nicht derer viele gäbe, die ihn auf falsche Gedanken bringen. Cathérine, diese unnütze Maid, klammert sich an ihn wie eine mannstolle...«
»Sie ist nicht mannstoll!«, unterbrach Isidora sie streng. »Sie liebt Théodore!«
»Und das darf sie nicht! Sie ist bloß seine Schwester!«
Plötzlich wurde ihr unbehaglich unter dem strengen Blick der Sarazenin. Nie hatte Isidora sie wissen lassen, ob sie die Wahrheit über den einstigen Betrug ahnte, ob sie in Cathérines Gesicht nach Ähnlichkeiten mit Bertrand gesucht hatte und verwirrt war, keine zu finden.
Sophia duckte sich und senkte den Blick. »Ja, ich weiß«, erklärte sie schnell. »Cathérine klebt an Théodores Seite, seit sie laufen kann – und hofft manches Mal gewiss, er wäre kein Verwandter, sondern der zukünftige Gatte. Aber bald schon werde ich ihr die Flausen vertrieben haben. Christian soll sie haben.«
»Christian!«, spuckte Isidora. »Dieser Tunichtgut im Gewande eines Gauklers? Wann immer Ihr ihn bis vor kurzem angeblickt habt, schien es, als wolltet Ihr ihn mit Eurem Blicke töten.«
»Was soll’s? Er scheint sie zu mögen. Und darum soll er sie auch heiraten – ich gebe ihr eine gute Mitgift.«
»Ihr würdet Cathérine unter ihrem Stand verheiraten?«, keuchte Isidora entsetzt.
»Ach, verschont mich mit solchen Fragen!«, hielt Sophia dagegen. »Er kriegt sie, wenn er mir verspricht, endlich von Théodore zu lassen. Und wenn ihm nichts an einem ehrenwerten Leben liegt, dann soll er sie eben zu seiner Hure machen.«
»Ma Dame! Hinter Eurer Stirn hockt der Scheitan !«
Das schrille Schreien stachelte Sophia noch mehr an. Beinahe fand sie Vergnügen, mit ihren heftigen Worten die ansonsten so Ehrwürdige aufzuwühlen.
»Mir ist das Mädchen nichts wert!«, rief sie. »Und so war es immer schon, an keinen Augenblick kann ich mich besinnen, da sie mich rührte und ich sie mochte. Strohdumm ist’s auf die Welt gekommen – und taugt seitdem einzig dazu, Théodore lästig zu sein. Ach, Christian muss mir gewiss keinen Preis für sie bezahlen – vielmehr biete ich ihm einen guten, dass er sie nimmt. Hauptsache, Théodore
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