Die Chronistin
könntet mir das sagen. Ich muss ihn sprechen, ich muss ihn unbedingt vor der Rache des Königs warnen!«
Cathérine schrie auf.
»Der Rache des Königs?«, fragte Sophia verwirrt. »Was hat denn er damit zu tun, wenn...«
»Alles«, erklärte Christian scharf. »Der König hat all das bewirkt.«
»Aber warum sollte er Théodore etwas Übles wollen? Warum...«
Sie brach ab, als sie fühlte, wie einige der glotzenden Blicke auf sie glitten. Ein unbeherrschtes Frauenzimmer köderte mehr Interesse als nur brennende Bücher.
Christian hingegen wandte sich von ihr ab.
»Théodore ist heute in einem großen Disput verurteilt und aus der Universität ausgeschlossen worden«, sprach er düster über seine Schulter hinweg. »Das machte den Beginn – eine Stunde später brannten hier die ersten Bücher. Dies muss man dem König lassen: Es war alles gründlich ausgedacht und wohl geplant. Théodore hat es selbst längst erahnt, ja, in gewisser Weise hat er es auch herbeigeführt. Er ist ihnen wissend ins offene Messer gerannt...«
Sophia hastete nach Hause.
Indessen Cathérine bei Christian verblieben war, um alle Stätten und Orte in Paris abzusuchen, wo Théodore sich gerne aufgehalten hatte, hatte Sophia sich für den Heimweg entschieden, um dort auf ihn zu warten. Noch immer verstand sie nicht die Bedrohung, die sich gegen ihn richtete. Noch immer ergab sich für sie kein Sinn aus Christians düsterer Andeutung.
Doch ganz gleich, auf welche Weise die grässliche Bücherverbrennung und Théodores Ausschluss aus der Universität mit dem Zorn des Königs zu tun hatten – vielleicht würde das eigene Heim die erste Zufluchtsstätte sein, wo sie ihn zur Rede stellen konnte.
In knappen Worten – unordentlich und zerknüllt wie lose Fetzen, die auf einen Haufen geworfen werden – hatte ihr Christian noch am Platz der Bücherverbrennung mehr von Théodores Disput berichtet. Nun, da sie atemlos ging, rumorten die Worte in ihr. Mit jedem Schritt versuchte sie sie mehr zu ordnen – und gleichsam der Verwirrung Herr zu werden, die das Gemüt verpestete wie die rauchige Luft die Lungen.
Zeitig in der Früh, als das Morgenrot noch rostig war, war Théodore in der großen Aula zum Disput aufgefordert worden. Alle Professoren waren anwesend gewesen, auch Magister Jean-Albert und der Kanzler Robert de Courçon. Blass und angespannt trat Théodore ihnen entgegen. Man hätte meinen können, er wäre selbstbewusst und stolz, weil er sein Wissen nun beweisen konnte. Aber sein Hinken war stärker als sonst – als schleife er den störrischen, verkrüppelten Fuß zur Hinrichtung.
Der Disput, so Christian, der ihn bezeugt hatte, habe begonnen wie all jene, die Theologiestudenten zu bestehen hatten, wollten sie denn Doktoren werden. Der Kanzler schlug die Bibel auf und bestimmte jenen Satz, auf den sein Auge zuerst fiel, als Thema – es war dies ein Vers aus dem Johannesevangelium, und er lautete: Niemand kommt zu mir, es sei denn, der Vater zieht ihn.
Routine war, was folgte. Théodore erklärte, wie dieser Satz von der Tradition gedeutet wurde. Er zitierte den Heiligen Augustinus, welcher daraus ableitete, dass der Mensch nicht von sich aus die Möglichkeit habe, sich dem Heil zuzuwenden, sondern Gott ihn dazu auserwählte – oder ihn eben der Verdammnis preisgebe. Jeder, der anderes behauptete – ob Pelagius, Vinzenz von Lerinum, Faustus von Riez und selbst Johannes Cassian –, wurde von der Kirche verurteilt.
Ja, so sprach er fromm. Und fragte dann doch, warum es denn überhaupt Verdammte gäbe, ja, warum man die massa damnata als viel größer annehme als jene der Erlösten, wenn es doch an Gott läge, den Menschen zum Heil auszuerwählen? Wenn der Einzelne nicht die Freiheit habe, sich zu Ihm zu bekennen, sondern nur von Ihm ›gezogen‹ würde – warum erwählt der Allmächtige dann willkürlich die einen und stößt die anderen ins Verderben? Würde das nicht meinen, dass Gott sich um den Einzelnen nicht scherte, ihm dessen Wohl gleich wäre?
Und hatten nicht auch darum der Heilige Dionysius angedeutet, Scotus Eriugena... und auch Amaury de Bène, dass Gott vielleicht doch die ganze Welt erlösen könnte – weil solche Menschenverachtung ihm nicht zuzutrauen wäre?
Einer der Professoren sprang auf. »Das ist Irrlehre!«, rief er.
Théodore verneinte nicht, ja stellte eine noch gewagtere These auf. Indessen das Murmeln einsetzte und alle aufgeregt mit den Füßen scharrten – die einen glücklich, weil der
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