Die Chronistin
erklären, warum er diese Empörung heraufbeschworen hatte. Sollte er sich dafür rechtfertigen, ohne jegliche Vorsicht gesprochen zu haben, obwohl er doch von der Engstirnigkeit mancher Professoren wusste!
Sie merkte kaum, wie die Dienstboten schweigend und verlegen zurückwichen, kaum dass sie ihrer ansichtig wurden. Erst als sie sie anherrschte, um zu erfahren, ob Théodore zurückgekommen sei, sich jene aber duckten, die Lippen verschlossen und forthasteten, wurde sie misstrauisch.
»Ist denn die ganze Welt verrückt geworden?«, rief Sophia – und alsbald auch Théodores Namen.
Nun, da die Dienstboten vor ihr geflohen waren, regte sich nichts mehr im Haus. Es war totenstill.
Sophia versuchte gegen die Beklemmung anzukeuchen. Zumindest trat Isidora nun die Wendeltreppe herab.
»Wo ist Théodore?«, rief Sophia und erschrak über den eigenen panischen Tonfall.
Isidoras Gesicht war grau und eingefallen.
Sie musste keine Worte machen, um davon zu künden, dass Schreckliches geschehen war.
»Was... was ist...«
Sophia versagte die Stimme. Stattdessen tauchten Bilder in ihrem Kopf auf, über die sich der schwarze Rauch von eben bedrohlich legte.
Théodore mit geschundener Stirne. Blutige Binden. Andauernde Verletzungen, die er früher niemals erlitten hatte und nun mit seinem hinkenden Bein begründete.
»Nachdem er heimgekommen ist, wollte er alleine sein«, erklärte Isidora mit stockender Stimme und nach langem, zermürbendem Schweigen. »Er hat mir streng verboten, nach ihm zu schauen...«
Dass sie Sophias Blick auswich, steigerte deren Entsetzen.
Sie stürmte die Treppen hoch, packte Isidora und schüttelte sie fest. Jene gab kein Mucksen von sich. Erst nachdem sie sich wortlos abgewendet und wieder hinauf zu Théodores Gemach stieg, war sie bereit, fortzufahren.
»Ich habe es Euch doch schon einmal gesagt«, murmelte sie. »Böse Geister... sayatin hausen in ihm. Sie trachten, ihm das Leben auszusaugen – und er lässt es fahren, als hätte es keinen Wert für ihn. So müde wie er ist kein junger Mann...«
Sophia hatte die Türe zu seinem Gemach aufreißen wollen, doch nun lauschte sie wie erstarrt. »Nein, nein!«, weigerte sie sich, über die Worte nachzusinnen.
Isidoras eben noch verwundeter, angstvoller Blick wurde giftig.
»Ich hätte Euch niemals gestatten dürfen, Mélisandes Sohn zu zerstören!«, krächzte sie. »Cathérine ist Euer Kind. Nicht aber hätte ich zuschauen dürfen, wie Ihr ihn zu Eurem Werkzeug machtet. Er ist daran zerbrochen!«
Weil sie nicht mehr verriet, war Sophia gezwungen, an die Türe zu klopfen. »Théodore!«, rief sie panisch. »Théodore!«
»Er hört Euch nicht«, bekundete Isidora kalt, und kurz vermeinte Sophia, dass das Schlimmste eingetreten wäre und er als Toter in seinem Gemach läge.
Als sie hineinstürmte, gewahrte sie jedoch, dass Théodore nur schlief – mit eingesunkenen Augen, blass wie Leinen und mit dicken Verbänden um die Handgelenke. Bei seinem erbärmlichen Anblick wähnte Sophia auch das Blut aus ihren eigenen Gliedern sacken. Kraftlos plumpste sie auf die Knie.
»Ich habe ihn gerade noch gefunden – ohne mich wäre er verblutet«, sprach Isidora, die ihr in den Raum gefolgt war. »Vor einem Jahr war er bei einem Medicus – er wagte nicht mit Euch darüber zu sprechen – und fragte, was sich gegen Schwermut tun ließe. Der Medicus, den ich im Übrigen für einen Stümper halte, meinte, dass es der Mittel nur eines gebe, sein Leiden zu heilen: Er müsse dem Körper Pein zufügen, auf dass die Seele ihre Schmerzen vergäße. Théodore folgte seinem Rat. Mit dem Kopf schlug er gegen die Wand; in sein Geschlecht bohrte er glühende Nadeln, und heute schnitt er sich so tief in die Adern der Handgelenke, dass er beinahe ausgeblutet wäre wie ein geschlachtetes Schwein.«
Sophia gelang es nicht, wieder aufzustehen. Eigentlich sollte sie zu ihm hasten, die Wunden untersuchen, neu behandeln – doch mit jedem Wort, das Isidora ihr sagte, wurde sie starrer und bewegungsloser.
»Ha!«, höhnte die Sarazenin. »So seid Ihr nicht mehr bereit, ihm zu helfen? Lasst Ihr ihn sterben, nun, da er in dem versagt hat, was Euch am meisten wert war?«
»Ich habe ihm doch nur dabei helfen wollen... glücklich zu werden.«
»Ha!«, lachte Isidora bitter weiter. »Ha!«
Sie drängte sich an Sophia vorbei und berührte selbst prüfend die Wangen des Siechenden. »Er sollte an Eurer statt der größte aller Gelehrten werden. Er sollte an Eurer statt den
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