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Die Chronistin

Die Chronistin

Titel: Die Chronistin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Julia Kröhn
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der aus ihnen hervorbrach, dann jedoch setzte Nesta überraschend hinzu: »Nun, es scheint, dass sie in jenen Messen um Théodores Heimkehr fleht – und es scheint auch, dass ihre Bitten von einem gnädigen Gott erfüllt worden sind. Ich denke zwar, dass sie sich nach anderen Mannsbildern umsehen sollte, anstatt das kleine Schwesterlein zu spielen, aber auf jeden Fall rennt sie mit glühenden Wangen und glänzenden Augen umher, seitdem...«
    Sophia stockte der Atem. »Wovon redet Ihr?«, unterbrach sie die andere heftig.
    Die spöttischen Blicke wurden mitleidig. Rosalinde wischte sich die Lachtränen aus den Augen und fuhr an Nestas statt gleichmütig fort: »Es scheint tatsächlich so zu sein, dass Ihr nicht wisst, was Eure Kinder treiben.«
    »Wie sollte ich?«, unterbrach Sophia sie barsch. »Théodore hat mir all die Jahre kein einziges Mal geschrieben und...«
    »Nun, er war beschäftigt!«, rief Rosalinde und triumphierte über den eigenen Vorsprung an Wissen. Sophia mochte zwar in der Heilkunst bewandert sein, der Klatsch des Hofs erreichte sie jedoch als Letzte. »Man sagt, er habe einem Einsiedler gleich in den Wäldern von Compiègne gelebt. Hätte gefastet oder sich nur von Wurzeln und Beeren ernährt. Hätte über Monate nur geschwiegen und gebetet – und der Einzige, mit dem er hatte sprechen wollen, war dieser Christian, der ihn dann und wann besuchte, indessen er sonst wie ein bunt gekleideter Gaukler durch die Dörfer zog. Stellt Euch vor, Sophia: Er verdiente sich sein Geld, indem er Tierstimmen imitierte – sei’s das Singen der Nachtigall, das Pfeifen des Rehs oder das Schreien des Pfaus. Und wenn es ihm nicht genug Geld einbrachte, so schluckte er Feuer, zerkaute Steine oder spazierte über ein Seil, das zwischen Kirchturm und Rathaus gespannt war.«
    »Vor zwei Jahren ist er gefallen und hat sich – wie man sagt – das Bein gebrochen!«, rief Alix dazwischen, um zu bekunden, dass auch sie die Ohren stets offen hielt. »Man brachte ihn zu Eurem Théodore, dem mittlerweile ein langer Bart gewachsen war und die Haare weit über die Schultern reichten, und jener schiente den Fuß mit Ästen von der Buche und machte ihn solcherart gerade.«
    »Ja, so war es! Und Cathérine erzählte auch, dass Théodore gesagt hätte: ›Es genügt, wenn einer von uns humpelt.‹«
    »Cathérine!«, stieß Sophia erbleichend aus. »Woher weiß sie von Théodores Geschick?«
    Es war ihr stets ein Dorn im Auge gewesen, dass jene sich an Blanche geheftet hatte, sich ihr gegenüber jedoch in strafendes Schweigen hüllte. Zuletzt hatte sie es ihr mit Gleichem heimgezahlt und gar nicht mehr versucht, sie durch Fragen gesprächig zu stimmen. Sollte sie an ihrer Unversöhnlichkeit ersticken. Sollte sie eben in die Kirche rennen und allein mit Gott schwatzen!
    Jetzt freilich haderte sie mit ihrer Unversöhnlichkeit.
    »Ach, der ganze Hof weiß es!«, fuhr Alix gönnerhaft fort. »Nach all dem vielen Beten und Fasten hat sich Théodore als letzte Form der Buße vor die Dauphine gekniet und um Vergebung gebeten, und jene hat...«
    Sophia hastete so eilig zur Tür, dass ihre müden Knochen knackten. Fast hatte sie den Raum bereits verlassen, als sie die letzte entscheidende Frage stellte:
    »Wollt Ihr damit sagen, er wäre endlich zurück nach Paris gekommen?«
    Cathérine, ging es ihr durch den Kopf, ich muss nach Cathérine suchen. Sie wird wissen, wo er steckt.
    Die meiste Zeit lebte diese im Königspalast wie die meisten unverheirateten Demoiselles aus guter Familie, die hier nicht nur das höfische Leben kennen lernen sollten, sondern auch edle Ritter und einflussreiche Hofbeamte, die als Gatten taugten. Freilich fehlten Cathérine Vater und Bruder – und ob Blanches Gunst so weit ging, das gänzlich fehlende Trachten der Mutter wettzumachen und Cathérines Zukunft zu sichern, wurde von den meisten der geschwätzigen Damen bezweifelt.
    Sophia scherte sich nicht darum – gleich war’s ihr, wie Cathérine ihr Leben plante und welche Hilfe sie dabei brauchte. Es war auch das erste Mal, dass sie deren Gemach betrat – ohne zu klopfen und mit stürmischen, herrischen Schritten.
    Im fremden Raum freilich stieß sie nicht auf die Tochter, sondern auf ein anderes scheues Mägdelein, das zusammenzuckte und ängstlich in eine Ecke huschte. Eben noch hatte dieses Mädchen etwas aus der Brusttasche kramen und auf ein kleines, dunkelholziges Tischlein stellen wollen, als es von Sophia überrascht und von seinem Tun abgehalten

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