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Die Chronistin

Die Chronistin

Titel: Die Chronistin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Julia Kröhn
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auch vier Jahre nach Bouvines noch immer kein Wort mit ihr zu wechseln bereit war.
    »Der Saft der Narzisse ist giftig und kann zu üblem Magenreißen führen!«, erklärte sie. »Ich rate Euch stattdessen Blüten von Weiden und Pappeln an, um seine Manneskraft zu schwächen.«
    »Aber ist es überhaupt erlaubt«, meldete sich eine dritte zu Wort, »derart in Gottes Schöpfung einzugreifen?«
    »Ach, gute Nesta!«, kreischte Rosalinde lachend. »Selbst die frommen Priester raten uns Weibern, den Mann nur einmal in der Woche bei uns liegen zu lassen, ansonsten ihm aber ins Gewissen zu reden. Warum soll’s verboten sein, mit Kräutern nachzuhelfen, wenn doch auch abweisende Worte erlaubt sind?... Aber gewiss, dein Robert ist jung und wohlriechend. Dir wäre wohl ein Mittel lieb, das ihn noch öfter in dein Bette treibt.«
    Sophia senkte den Kopf, vom unzüchtigen Geplapper verlegen gestimmt. Sie hatte sich nie an die freizügigen Reden bei Hofe gewöhnen können, wiewohl jene nur im engsten Frauenkreis zu hören waren und selbst von Blanche streng verboten waren.
    »Unsere Nesta«, spottete Alix gutmütig, »achtet auch darauf, dass ihre ›Kammer der Venus‹ stets sauber gehalten ist.«
    Die Weiber lachten prustend.
    »Ei freilich!«, verteidigte sich Nesta und wurde nur halb so rot wie Sophia, »Mir sagte noch meine Amme, dass kein Mann zwischen den Beinen der Frauen Moos pflücken wolle und deshalb jedes Härchen auszureißen sei – so wie man auch die gute Stube regelmäßig auskehrt, auf dass dort keine Spinnweben stehen.«
    Das Lachen wurde noch lauter – Sophias Unbehagen größer.
    Als obendrein eine der Frauen behauptete, man solle – um die Lust anzuregen – einen Stierhoden braten und eine andere meinte, nein, besser wär’s, ihn in Butter abzuschmalzen und obendrein mit dem Fleisch des Sperlings zu servieren, stand sie hastig auf.
    »Besser, Ihr nehmt Löwenmaul, Pfeffer und Hauswurz«, murmelte sie schlicht und wandte sich zum Gehen.
    »Ach, werte Sophia«, rief Rosalinde ihr nach und mochte nicht verstehen, dass sich eine, die den menschlichen Leib besser kannte als sie alle, ja obendrein selbst empfangen und geboren hatte, schamvoll gab wie eine Jungfrau. »Eurer Tochter Cathérine fällt es leichter als Euch, über solche Dinge zu reden! Sie wird nicht müde, der Welt zu erzählen, wie sehr sie sich nach Théodore sehnt!«
    »Und dabei vergessen macht«, lachte Nesta, »dass er ihr Bruder ist und nicht ihr Liebster!«
    Sophia fuhr herum. Schmerzhaft stach es in ihrer Kehle, als sie die beiden Namen hörte. Théodore war all die Jahre – und derer waren es nun schon fast fünf – verschwunden geblieben, meldete sich nicht, um zu berichten, dass es ihm wohl erginge und dass er noch lebte. Cathérine weinte sich die Augen um ihn aus und gab Sophia an allem die Schuld. Bald sprach sie kein einziges Wort mehr mit ihr, sondern ergab sich in verächtliches Schweigen wie die Dauphine Blanche – ein Umstand, der zwischen den beiden Frauen ein merkwürdiges Bündnis schloss.
    Ein Jahr nach Bouvines war Cathérine bei der Dauphine vorstellig geworden, um dort für Théodore zu bitten. Nun, da das Unrecht verjährt war, sollte es ihm doch erlaubt sein heimzukehren. Und außerdem – war nicht einzig Sophia die Übeltäterin?
    Blanche erklärte, dass des Königs Versöhnung mit dem eigenen Sohn kurz vor Bouvines gewiss erreicht habe, dass auch einer wie Théodore begnadigt werde. Freilich wüsste niemand, wo er stecke.
    Cathérine mochte daran nichts ändern, war Blanche jedoch dankbar, dass diese der verhassten Mutter mehr zu zürnen schien als dem geliebten Bruder. Die Dauphine indessen hatte mit dem blonden, rotwangigen Mädchen Mitleid, ernannte es zum Hoffräulein und schuf ihr solcherart den Vorwand, dem Haus zu entfliehen, in dem es seit Théodores Flucht und Isidoras Tod still und einsam geworden war.
    »Pah!«, rief Sophia eben und machte kein Hehl daraus, dass es zwischen ihr und der Tochter nicht zum Besten stand. »Sie mag Théodore ergeben sein – doch in den letzten Wochen vertraut sie sich vor allem dem Herrgott an. Früher lief sie auf sämtliche Märkte, um sich als gute Hausfrau zu preisen – heute mimt sie die Frömmlerin, die täglich eine Messe besucht.«
    Nesta und Rosalinde warfen sich verschwörerische Blicke zu. Indessen die eine vermeintlich ernst blieb, prustete die andere vor Lachen. Zuerst schien’s der übliche Spott über die absonderliche Mutter und deren Tochter zu sein,

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