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Die Chronistin

Die Chronistin

Titel: Die Chronistin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Julia Kröhn
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seines Namens) ward von Rachsucht getrieben, nachdem Richard im Streite um Sizilien dereinst auf dessen Gegner setzte. Nun wollte er’s ihm heimzahlen, ließ sich von Leopold Richard ausliefern, jenen aber mit der Forderung nach hohem Lösegeld bedrängen.
    Eifrig wurde fortan in England für die Freilassung gesammelt – doch freilich nicht von allen. Richards jüngerer Bruder, den man Jean »sans Terre« nannte, weil er bislang kein eigenes Land besaß, sah seine Zeit gekommen, dem verhassten Dasein des nutzlosen jüngeren Bruders zu entfliehen. Er suchte das Bündnis mit Frankreich und half, dass Richards Erzfeind Philippe in einem schnellen, grausamen Krieg gar manchen wichtigen Stützpunkt zu erobern vermochte: Gisors und Dieppe, Evreux und Aumale, Tillierées und Nonancourt.
    Triumphreich wie begonnen sollte der Krieg weitergehen – und weil die Zeit drängte und die Freilassung von Richard zu befürchten stand, durfte Philippe mit der »dänischen Heirat« keine Zeit verlieren.
    Alle, die im kleinen Frankreich einen großen Namen trugen, hatten den König nach Amiens begleitet, wo er die Prinzessin empfangen und noch am selben Tage ehelichen sollte.
    Die dänischen Begleiter waren fortwährend betrunken – auch an dem Tag, da sie Amiens erreichen würden.
    Mühselig war die Fahrt in einem einfachen Holzwagen, dessen Scheibenräder rumpelten; man kam noch langsamer vorwärts als manch müde Wanderer am Wegrand. Nachdem sie an einer schroffen Küste angelegt hatten, führte die Reise tiefer und tiefer in ein Land, das flach, süffig und eintönig vor ihnen stand – immer weiter entfernt von den gewohnten Wellen. Der Schlamm roch modrig, salzig aber nicht.
    Anfangs war es trocken, und die spitzen Steine, mit denen der Weg gespickt war, sprangen so hoch, dass sie schmerzhaft ins Gesicht des Kutschers pieksten. Bald aber schon begann der trübe Himmel Regen zu spucken – er färbte nicht nur die goldenen Sommerfelder zu struppig-schmutzigem Stroh, sondern versenkte den Weg in knietiefem Schlamm. Mehr als einmal mussten die Männer das Gefährt anschieben, schwankten und fluchten dabei.
    Dass der finstere Ritter Sigfred von Viborg betrunken war, desgleichen Eski und Thöger von Roskilde – zwei Brüder, von denen einer dem anderen aufs Haar glich – , mochte Sophia verstehen, nicht aber, dass auch Abel Erlandsen sich manchmal über den Wegrand erbrach und dunkle Augenränder hatte. Schließlich war er Abgesandter von Bischof Absalon und hatte bislang im kleinen Fischerdorf St. Jørgensbjerg, das im Fjord vor Roskilde lag, den dortig angesiedelten Aussätzigen als Priester gedient.
    »Wie kommt es, dass Ihr als Mann Gottes derart der Unsitte des Trinkens frönt?«, hatte sie während der Reise einmal empört gefragt.
    Noch ehe Abel ihr selbst antworten konnte, fiel Sigfred von Viborg ihr ins Wort. »Der Grund für unser Trinken ist ganz einfach«, erklärte er mit glasigen Augen und lallender Stimme, »früher machte man uns nordischen Kriegern damit Hoffnung, dass wir im jenseitigen Walhalla unser Glück im ewig währenden Saufen und Huren und Feiern fänden. Doch dann kamen die Pfaffen und versprachen uns einen faden Himmel, in dem wir alle zu Engel werden. Ist’s da ein Wunder, wenn wir uns wenigstens im Diesseits etwas vom einstmals Verheißenen stehlen wollen?«
    »Tragt nur weiterhin solch lästerliche Worte auf den Lippen«, bemerkte Abel Erlandsen knurrend, »dann kann ich Euch versprechen, dass Ihr nicht in den Himmel eingeht, sondern in die Hölle.«
    In gewisser Weise verstand Sophia seinen Missmut. Zum Beichtvater von Isambour war er bestimmt – und wähnte sich gewiss betrogen wie sie selbst.
    Kein Wunder, dass er die Gesellschaft der anderen Dänen der seiner Prinzessin vorzog und sich mit Sophias Worten begnügte, wenn jene über deren Befinden berichtete.
    Isambour hatte nach der schwierigen ersten Nacht und nachdem ihr weder der Priester noch ein anderer Begleiter noch einmal zu nahe kam, das schreckliche Schreien unterlassen und sich mit ausdruckslosem, starrem Gesicht der mühseligen Reise gefügt. Sophia verzichtete darauf, sich zu rühmen, dass nicht zuletzt ihr fester Händedruck das Gebaren der anderen zu steuern vermochte. Sie war nicht sonderlich stolz darauf, dass ihre unwirsche Berührung – vor allem aus der Wut über ihr Geschick geboren – so rasch seine Wirkung zeitigte.
    Die anderen Weiber nannten es Zauberei. Vor allem Gret mochte es kaum fassen, dass Isambour, die sich so

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