Die Chronistin
bewegte, ja gar an ihr vorbei. Noch ehe Sophia ihr helfend die Hand reichte und noch ehe der König zur Kutsche trat, um der künftigen Gemahlin zum Gruß den Arm zu reichen, da geschah es, dass die ungeschickte Prinzessin stolperte. Sie plumpste wie ein Sack aus dem Gefährt hinaus, fiel direkt auf den schlammigen Boden und blieb dort der Länge nach liegen. Sophia schrie entsetzt auf. Der graue Schlamm indessen saugte sich augenblicklich in ihre Kleider, befleckte das Gesicht und kroch selbst die blonden, glänzenden Haare hoch.
Regungslos verharrte Isambour.
Die Umstehenden konnten sich ein Grinsen nicht verbeißen – es war vorlaut bei jenen, die sich ihres Rangs sicher waren und verschämt bei solchen, die sich nicht erlauben durften, den König zu verspotten. Jener vergaß sein Misstrauen und blickte jählings nicht länger gehetzt, sondern überrascht – zuerst darüber, dass man ihm solches bieten konnte, dann zunehmend verwirrt, weil Isambour keine Anstalten machte aufzustehen.
Sophia ahnte, dass sie Isambour so schnell wie möglich hochziehen sollte, doch der ungläubige Blick des Königs ließ sie erstarren.
Jetzt merkt er es, durchfuhr es sie. Jetzt merkt er, dass sie kein gewöhnlicher Mensch ist, nachdem sie wie ein Sack Mehl nach vorne geplumpst ist und obendrein liegen bleibt. Jetzt wird allen auffallen, dass sie ihren Geist nicht zu gebrauchen vermag und man dem König eine Schwachsinnige ins Ehebett legen will...
Doch während der Regen abflaute, als wäre selbst der Himmel über Isambours Sturz erschrocken, und jene im Schlamm liegen blieb, erblickte Sophia erneut den groß gewachsenen Priester an des Königs Seite. Er trug einen schmucklosen, langen Habit; sein Gesicht glänzte bleich vor dessen Schwärze, und die blonden Haare, die am lang gestreckten Hinterkopf wuchsen, deuchten sie fast weiß, was gleichsam den Eindruck stärkte, dass der Mann nur aus Dunkel und Hell bestand, alle Farbtöne dazwischen jedoch strengstens vermied. Indessen alle erschreckt und verlegen und belustigt gafften, ging er zielstrebig auf die gefallene Prinzessin zu.
Einen Augenblick betrachtete er sie mit Ungeduld und leisem Ärger. Dann zischte er Sophia zu: »So helft Ihr doch!«
Mehr noch als seine Worte löste der ausdruckslose und doch befehlende Blick Sophia aus ihrer eigenen Erstarrung. Sie bückte sich, packte Isambour so fest am Arm, wie jene es von ihr gewohnt war, und zerrte die Prinzessin hoch. Hastig fuhr sie ihr mit einem Tuch über das verschmutzte Gesicht, zog es ihr dann wie einen Schleier um den Kopf, sodass die dreckstarrenden Haare nicht länger sichtbar waren, und drängte sie dem König entgegen.
Jener schien nicht länger bereit, die Braut zu mustern und zu bewerten, starrte stattdessen verlegen auf den schlammigen Boden, worauf Isambour eben noch gelegen war, und schien nach einer Möglichkeit zu suchen, der peinlichen Situation zu entgehen. Ohne Zweifel wollte er den Augenblick so schnell wie möglich hinter sich bringen. Dieses witternd, nützte Sophia die erlaubte Hast.
Kurz nur ließ sie Isambour vor Philippe stehen. Dann drängte sie sie zurück in die Kutsche, worin nach der vermaledeiten Begrüßungszeremonie die restliche Fahrt nach Amiens zurückgelegt werden sollte.
Als der Schlamm zu trocknen begann, hörte Sophia Isambour leise wimmern. Jetzt freilich vermochte das niemand mehr zu vernehmen – vor allem nicht der König. Wiewohl er schmachvoll und beschämend gewesen, hatte der Sturz am Ende sogar geholfen, Isambours Geheimnis zu verbergen.
Sophia konnte sich später kaum an die Stunden erinnern, die folgten – an die Ankunft in der Burg zu Amiens, daran, dass sie und Gret Isambour hastig neu kleideten, und schließlich an die Hochzeit, die noch am selben Nachmittag gefeiert wurde.
Letzte deuchte entgegen aller Anspannung und Furcht, mit der sie dieser Stunde geharrt hatte, nüchtern, kurz und schlicht. Zwar hörte sie Getuschel, wonach jene Zeremonie um vieles menschenreicher vonstatten ging als einst die Eheschließung von Philippe mit seiner verstorbenen ersten Frau Isabelle – in der Abtei Arrouaise waren damals nur die Bischöfe von Senlis und Laon zugegen und einige wenige Barone –, doch auch am heutigen Tage schien jedermann darauf zu warten, dass die leidige Sache rasch vorüber und endlich ein weiteres Mittel gewonnen wäre, um den Krieg gegen England noch gewaltsamer fortzusetzen. Die Trauung fand vor der Kirchenpforte statt, hernach feierte man in der
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