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Die Chronolithen

Die Chronolithen

Titel: Die Chronolithen Kostenlos Bücher Online Lesen
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der Chronolithen keinem festen Ritual folgte. Intensität, Dauer und zerstörende Wirkung waren von Mal zu Mal anders. Sue Chopras Berechnungen basierten auf ziemlich problematischen Satellitendaten und mochten den Zeitpunkt um etliche Stunden verfehlen.
    Mit anderen Worten, vielleicht schwebten wir in Lebensgefahr.
    Ein Windstoß ließ den Van schaukeln und machte Kaitlin neugierig. Sie presste das Gesicht ans Fenster, gaffte mit offenem Mund auf die wirbelnden Staubwolken, die mit einmal aus der Wüste kamen. »Daddy, ist das…?«
    »Ich weiß nicht«, sagte ich.
    Ich hielt Ausschau nach Ash, doch die vielen immer nervöser werdenden Hadschisten versperrten mir die Sicht. Schwer zu sagen, wie weit westlich wir vom Zentrum Portillos waren… vielleicht eine Meile, auf keinen Fall mehr. Und keiner konnte sagen, wo genau der Chronolith erscheinen würde oder die Gefahrenzone begann.
    Ich riet Kait, unter der Decke zu bleiben.
    Dann kam Bewegung in die Menge, fast wie verabredet strebte sie vom Parkplatz in die benachbarten Straßen in Richtung Portillo. Erst sah ich den krausen schwarzen Bart von Hitch, dann Hitch selbst, dann Ashlee und Adam.
    Hitch redete auf Ashlee ein und Ash auf Adam, die Hände wie flehend an seinen Armen. Adam rührte sich nicht von der Stelle, ertrug die mütterliche Geste, der Wind zauste in den blonden Strähnen vor seinen Augen. Wenn ihm der Hadsch zugesetzt hatte, dann konnte er es gut verbergen. Er blickte ungerührt vom Gesicht seiner Mutter in den düsteren Himmel hinauf. Er zog etwas aus dem Rucksack, das wie eine aufgerollte Thermojacke aussah.
    Ich weiß nicht, was Ashlee zu Adam sagte – sie hat nie darüber gesprochen –, aber selbst aus dieser Entfernung wurde deutlich, dass Adam nicht mitkommen würde. Die Körpersprache der beiden bezeugte ein Leben voller Frustration. Ashlee zog an ihm, flehte ihn an – wollte sich nicht eingestehen, dass es ihm schlichtweg egal war, was sie wollte; dass es ihm schon lange egal war; dass ihm diese Art von Gleichgültigkeit vielleicht sogar angeboren war. Sie war für ihn lediglich eine Ablenkung von jenem ungemein interessanten Ereignis, das nun offenbar seinen Lauf nahm, der physischen Manifestation von Kuin, des Mythos, in den er seine ganze Loyalität investiert hatte.
    Jetzt zerrte Hitch an Ashlee, wollte sie zum Van zurückbringen, das Gesicht zusammengekniffen, um dem prickelnden staubbeladenen Wind zu begegnen, seine Gesten waren fast verzweifelt. Ashlee ignorierte ihn so lange sie konnte, bis Adam sich losriss und sie es nur Hitch zu verdanken hatte, dass sie nicht auf den Knien landete.
    Sie starrte ihren Sohn an und sagte noch etwas. Ich glaube, es war sein Name, gerade so wie ich Kaitlin beim Namen gerufen hatte. Ich bin mir nicht sicher, weil das Brausen des Sturms und der Lärm der Menge inzwischen so laut waren, aber ich glaube, es war der schmerzvoll klagende Ruf nach ihrem Sohn, der durch die staubgeschwängerte Luft schnitt.
    Ich klemmte mich hinters Steuer. Kaitlin ächzte und verkroch sich in die Decke.
    Hitch zog Ashlee zum Wagen und bugsierte sie hinein, dann kletterte er auf den Beifahrersitz. Ich hatte den Motor bereits gestartet.
    »Gib Gas!«, sagte Hitch.
    Doch die Flut von Hadschisten machte ein schnelles Vorankommen unmöglich. Hätte Adam nur ein bisschen näher an Portillo gelagert, wir hätten in der Falle gesessen. So wie die Dinge lagen, konnten wir uns zum Rand der Straße vorarbeiten, um dann langsam, aber stetig nach Westen zu fahren, während der Strom der Pilger immer dünner wurde.
    Der Himmel hatte sich verfinstert; es war kalt geworden. Staub schlierte über die Windschutzscheibe und beschnitt die Sicht auf ein paar Fuß.
    Ich hatte keine Ahnung, wohin die Straße führte. Das war nicht die Richtung, aus der wir gekommen waren. Mehr wusste Hitch auch nicht; die Straßenkarte lag irgendwo im Heck verstaut, aber genützt hätte sie uns auch nichts. Wir hatten keine Wahl.
     
    Der Staubsturm verkrustete die Windschutzscheibe bis zur Undurchsichtigkeit und schien, wie es sich anhörte, auch den Motor zu verstopfen. Ich schloss die Fenster und drehte die Heizung auf, bis wir alle schwitzten. Die ungeteerte Straße endete an einer Holzbrücke über einem flachen, ausgetrockneten Bachbett. Die Brücke war gesplittert und schwankte unter den Böen, keine Chance für den schweren Van. Hitch sagte: »Fahr die Böschung runter, Scotty. Jeder Meter, den wir zwischen uns und Portillo legen, ist einer

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