Die Clans von Stratos
Mißverständnisse einen irreparablen Bruch hervorzurufen schien. Auf dem Höhepunkt des Films klärte sich dann aber alles und löste sich in Wohlgefallen auf. Es kam zu einer großen Versöhnung, und man lachte gemeinsam über das, was geschehen war.
»Wir sind dazu bestimmt, Partner zu sein«, sagte eine weise alte Matriarchin am Schluß. »Wenn wir Vars wären wie unsere ersten Mütter, dann würden wir gute Freunde werden. Doch wir kennen uns besser, als es Vars je können. Ist es möglich, daß wir Blaine-Schwestern ohne euch Chens leben? Oder ihr ohne uns? Blaines, Chens, Hanleys, Wedjets… wir sind eine noch größere Familie, unsterblich, als hätte uns Lysos höchstpersönlich erschaffen.«
Das Filmende war gefühlvoll und sicher auch ein wenig kitschig gewesen, aber Maia saß da und war froh, daß sie Leie hatte… obwohl ihre Schwester den Mangel an Logik und an Charakterentwicklung natürlich scharf kritisierte.
Leie hätte Ursulaborg bestimmt gern kennengelernt.
Bisher war kein Land in Sicht. Maia blickte am Bugspriet vorbei nach Westen und blinzelte in die salzige Gischt, die sich mit ihren bitteren Tränen vermischte.
So fand Renna sie. »Ah, Maia, da bist du ja!« rief er vom Fockmast her.
Eilig wischte sie die Tränen weg und wandte sich um, während er zu ihr herabkletterte. »Was machst du hier?« fragte er fröhlich, setzte sich ihr gegenüber und beugte sich vor, um ihre Hand zu drücken.
»Ich war schon unglücklicher«, antwortete sie achselzuckend und etwas verwirrt von seiner Herzlichkeit, die die Distanz, die Maia zwischen sich und ihm aufbauen wollte, einfach durchbrach. Doch sie entriß ihm ihre Hand nicht, sondern zog sie langsam zurück. Er schien es nicht zu bemerken.
»Ist das nicht ein schöner Tag?« Renna atmete tief ein und blickte hinaus aufs Meer, wo sich Sonne und Wolken abwechselten, bis hin zum Horizont. »Ich war schon bei Sonnenaufgang an Deck und dachte eine Weile, ich hätte einen Schwarm großer Pontoos entdeckt, weit im Süden, zwischen den Wolken. Aber dann meinte jemand, es wären nur ganz normale Schwebgleiter… von denen habe ich schon eine Menge gesehen. Aber sie sahen so schön aus, so anmutig und majestätisch, deshalb dachte ich…«
»Pontoos sind ziemlich selten heutzutage.«
»Ja, das habe ich gehört.« Er seufzte. »Weißt du, dieser Planet müßte zum Fliegen wie geschaffen sein. Ich habe so viele Vogelarten und jede Menge Ballonwesen gesehen. Aber weshalb gibt es nur so wenige Flugzeuge? Ich weiß, die Raumfahrt würde euer stabiles Pastoralsystem stören, aber was ist an Zeppelinen und anderen Flugzeugen auszusetzen? Spricht etwas dagegen, daß man den Menschen die Möglichkeit gibt, beweglicher zu sein?«
Maia fragte sich, wie ein Mann so früh am Tag schon so redselig sein konnte. Da wäre er mit Leie bestimmt besser zurechtgekommen.
»Es heißt, früher gab es mehr Zeppeline«, entgegnete sie.
»Es heißt auch, daß Männer sie geflogen haben, wie Schiffe. Aber dann hat man sie vom Himmel verbannt. Weißt du, warum?«
Maia schüttelte den Kopf. »Warum fragst du nicht die Männer danach?«
»Ich hab’s versucht.« Renna verzog das Gesicht und blickte wieder über den Ozean. »Scheint ein heikles Thema zu sein. Vielleicht schlage ich es nach, wenn ich wieder in die Bibliothek komme, in Caria.« Er sah Maia wieder an. »Hör zu, ich glaube, ich habe etwas herausgefunden. Sagst du mir Bescheid, wenn ich mich irre?«
Maia seufzte. Offenbar war Renna wild entschlossen, ihre sorgsam erarbeitete Apathie mit seinem überwältigenden Enthusiasmus zu besiegen. »Leg los«, entgegnete sie müde.
»Großartig! Laß uns erst mal die Grundlagen klären.« Er hielt einen Finger in die Höhe. »Aus Sommerpaarungen gehen normale, genetisch unterschiedliche Varianten oder Vars hervor. Ist das Wort eigentlich abwertend? In Caria habe ich es einmal als Beleidigung gehört.«
»Ich bin eine Var«, antwortete Maia tonlos. »Es gibt keinen Grund, sich von einer Tatsache beleidigt zu fühlen.«
»Hmm. Vermutlich würdest du mich auch einen Var nennen, richtig?«
Natürlich. Alle Jungen sind Vars. Nur bleibt der Name nicht an ihnen hängen wie eine Klette. Aber sie wußte, daß Renna es nicht böse meinte, auch wenn er unbeholfen auf wunden Punkten herumdrosch.
»Na gut. Im Herbst, Winter und Frühling bekommen die stratoinischen Frauen parthenogenetische Klonkinder. Oft können sie im Sommer nicht schwanger werden, ehe sie ein Winterkind geboren
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