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Die Clans von Stratos

Die Clans von Stratos

Titel: Die Clans von Stratos Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: David Brin
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ungehindert über die Ränder hinweg. Wenn man an den Justierschrauben des Sextanten drehte, konnte man ihnen folgen, aber eben nur abstrakt, als Beobachter. Allein die Formen selbst kannten die wirkliche Freiheit. Sie schienen keine Bedürfnisse zu haben, nichts zu fürchten, sie akzeptierten keine Grenzen. Schon der Gedanke vermittelte Maia ein Gefühl unglaublicher Freiheit, die sie mit Neid erfüllte.
    Hat Renna sich selbst irgendwie verändert? fragte sie sich. Kennt er ein Geheimnis, wie man zu der Welt da drin vorstößt und Fels und Körper zurückläßt? Es war eine phantastische Vorstellung. Aber wer konnte wissen, welche Kräfte das Phylum in den Jahrtausenden entwickelt hatte, seit die Gründerinnen auf Stratos eine Welt pastoraler Stabilität eingerichtet und sich vom ›Irrsinn‹ eines wissenschaftlichen Zeitalters abgewandt hatten?
    Auf Verdacht drückte Maia auf die Knöpfe, die sie früher bei den kleinen Löchern im Podium gefunden hatte. Aber sie erwiesen sich als genauso nutzlos wie zuvor. Vielleicht hatten sie früher wirklich zu so etwas Banalem wie dem Lichtanknipsen gedient.
    Dann machte Leie eine weitere Entdeckung. Wenn man einen Meßarm des Sextanten umbog, konnte man eine andere Bewegung simulieren. Von den Männern, die fasziniert zusahen, stießen einige ein lautes Stöhnen aus, als die gemeinsame Perspektive plötzlich nach vorn zu rücken schien, sozusagen durch die wogenden Bilder im Vordergrund hindurchsauste und Objekte durchstieß, die so unfaßbar waren wie Wolken.
    Auch Maia fühlte es. Eine Welle von Schwindel, als fielen sie alle miteinander in die Unendlichkeit des Himmels. Sie schnappte nach Luft, mußte den Blick abwenden und merkte plötzlich, daß sie sich mit beiden Händen an dem Steinpodium festklammerte. Als sie zu den anderen schielte, sah sie, daß sie nicht die einzige war. Die bisherigen Veränderungen an der Wand waren verblüffend gewesen, aber längst nicht so wie das, was jetzt passierte. Noch nie hatte sie von einer dreidimensionalen Version des Spiels des Lebens gehört! Und die Geschwindigkeit des ›Fallens‹ beschleunigte sich noch. Formen, die bisher die Szene bestimmt hatten, wurden noch größer und enthüllten die kleinsten Details ihrer Struktur. Die Figuren im Zentrum bauschten sich auf, während die an den Rändern verschwanden.
    Das Gefühl des Fallens war natürlich eine Illusion, und mit etwas Konzentration konnte Maia es zum Stillstand bringen. Aus der Vorwärtsbewegung wurde eine Übung in der Detailbetrachtung, dem Auge des Betrachters offenbarten sich immer feinere Objektstrukturen… und noch feinere. Die Möglichkeiten, eine Formation zu zergliedern, gingen ins Unendliche.
    »Halt…« Maia schluckte schwer. »Halt, Leie. Probier es andersherum.«
    Ihre Schwester wandte sich grinsend zu ihr. »Ist das nicht großartig? Ich hätte nie gedacht, daß Männer solche Wunderwerke haben! Hast du was gesagt?«
    »Ich sagte, halt und zurück!«
    »Du brauchst keine Angst zu haben, Maia. Du hast mir doch selbst erklärt, es ist alles nur Simulation…«
    »Ich habe keine Angst. Halt einfach an und versuch es andersherum. Aber sofort.«
    Leie zog die Augenbrauen hoch. »Ganz wie du willst, Maia. Wir drehen um.« Sie hörte auf zu drücken und zog dafür vorsichtig an dem kleinen metallenen Meßarm. Die Vorwärtsbewegung wurde langsamer, kam zum Stillstand und begann sich umzukehren. Jetzt rückten die Muster in der Mitte zurück, wurden um einen zentralen Fluchtpunkt herum kleiner, während mehr und mehr helle, komplexe Objekte aus der Peripherie erschienen. Jetzt hatte der Betrachter das Gefühl, weggezogen zu werden, hochzusteigen, so daß mit jeder Sekunde eine umfassendere, gottähnlichere Sichtweise möglich wurde.
    Es war ein glorioses Gefühl; so stellte sich Maia das Fliegen vor. Plötzlich fühlte sie sich Renna ganz nah, sei es auch nur dadurch, daß sie ein Schauspiel genoß, das auch Renna erfreut haben mußte.
    Ein anderer Teil ihrer selbst war schlicht überwältigt. Renna hatte ihr erklärt, das Spiel des Lebens sei eines der simpelsten Mitglieder einer riesigen Familie von mustererzeugenden Systemen, die man zelluläre Automaten nannte. Als das Licht auf der großen Wand zum ersten Mal aufleuchtete, hatte Maia gehofft, die Seeleute würden mit ihren Büchern dabei helfen, dieses unendlich komplexere ›Ökoystem‹ zu analysieren, auch wenn keiner von ihnen ein Savant war. Aber wenn die Männer schon angesichts der ersten Version

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