Die Clans von Stratos
wieder die Augen.
Aber ihre Nase konnte sie nicht verschließen. Der lockende Duft ließ ihr keine Ruhe. Und das Knurren ihres Magens. Und eine Stimme.
»Na, bist du endlich bereit, wieder in die Welt der Lebenden zurückzukehren?«
Maia drehte den Kopf nach links und öffnete die Augen einen Spaltbreit. Eine zierliche, dunkelhaarige Gestalt erschien, die schelmisch lächelte. »Hab ich dir denn nicht gesagt, du sollst dich nicht ständig prügeln, Varling? Wenigstens bist du diesmal nicht ertrunken.«
Nach ein paar Fehlversuchen fand Maia ihre Stimme wieder. »Hätte doch… wissen müssen… daß du es schaffst.«
Naroin nickte. »Hmm. Ich bin’s. Zum Überleben geboren. Du übrigens auch, Mädchen. Obwohl du es dir gern schwermachst.«
Unwillkürlich seufzte Maia. Die Gegenwart der Bootsfrau-Polizistin erweckte schmerzliche Gefühle, obwohl ihr Körper noch so unter Drogen stand, daß sie sich kaum rühren konnte. »Vermutlich… hast du Kontakt zu deiner Chefin aufgenommen.«
Naroin schüttelte den Kopf. »Als wir gefunden wurden, habe ich beschlossen, die Initiative zu ergreifen. Hab mir den Lohn für frühere Gefallen geholt und neue Abmachungen ausgehandelt. Leider konnten wir nicht früher kommen.«
»Ja. Leider.« Maias Gedanken wollten sich noch immer nicht klären.
Naroin goß ein Glas Wasser ein und half Maia beim Trinken. »Falls du Zweifel hast, die Ärzte sagen, du kommst wieder in Ordnung. Sie mußten nur ein bißchen rumschnippeln und zusammenflicken. Du hast ’nen Agonpfropf am Kopf, also hau nicht dagegen, jetzt, wo du wach bist.«
»…einen was…?« Bleiern und schwerfällig gehorchte Maias Arm endlich doch ihren Wünschen, hob und bog sich. Ihre Finger fühlten ein fast daumengroßes Gebilde über ihrer Stirn. »Ich würde es nicht anfassen, wenn ich…«, begann Naroin, als Maia auf das Ding klopfte. Einen Moment lang nahm alles, was verwaschen und verschwommen gewesen war, wieder feste Umrisse und leuchtende Farben an. Doch leider ging damit auch ein heftiger Schmerz einher. Maias Hand zuckte zurück und fiel wieder auf ihre Decke.
»Hab ich dich nicht gewarnt? Hmmpf. Ich glaube, es gibt niemanden, der das beim ersten Mal nicht versucht. Ich denke, ich war auch ungefähr in deinem Alter.«
Die betäubende Wirkung kehrte zurück, was Maia diesmal sehr willkommen war. Benommenheit breitete sich von der Kopfhaut über ihren Körper aus wie flüssiger Balsam. Sie hatte schon früher verwundete Frauen mit einem Agonpfropf gesehen, obwohl die meisten ihn zwischen den Haaren versteckten. Anscheinend bin ich schlimmer verletzt, als ich mich fühle, dachte sie, nun eher dankbar für die Betäubung. Denn auch eine andere blockierte Empfindung war freigesetzt worden, die noch furchtbarer war als körperlicher Schmerz. Einen Augenblick lang hielt ein überwältigender Kummer sie im Griff.
»Man kommt sich vor wie ein Zombie, stimmt’s?« meinte Naroin. »Sobald es dir bessergeht, wird die Dosis herabgesetzt. Du müßtest schon wieder ein bißchen was spüren.«
Maia holte tief Luft. »Ich… ich kann riechen…«
Naroin grinste. »Aha, das Frühstück. Hast du Appetit?«
Ein seltsames Gefühl. Ihr Magen war so hartgesotten, daß er sich nicht um die dumpfe Übelkeit zu scheren schien, die den Rest ihres Körpers durchzog. »Ja. Ich…«
»Das ist ein gutes Zeichen. Sie halten sich auf der Gentilleschi mächtig was zugute auf ihre Kochkünste. Einen Augenblick, ich sehe mal, was ich tun kann.«
Die Polizistin stand auf. Ihre Bewegungen waren für Maia viel zu schnell, sie konnte ihnen nicht ganz folgen. Außerdem fielen ihr immer wieder die Augen zu, so daß sie nur bruchstückhaft und ruckartig wahrnahm, wie Naroin ein Stück wegging, stehenblieb und wieder zurückkam. Ihre Stimme wurde lauter und wieder leiser.
»Oh… fast hätte ich’s vergessen. Ich habe da eine Nachricht für dich… Freund und deiner Schwester… Tisch neben dem Bett. Dachte… willst wissen, daß sie wohlbehalten sind.«
Die Worte mußten irgendeinen Sinn ergeben, doch sie schlugen über Maia zusammen, drangen durch Ohren und Haut und stießen irgendwo auf Resonanz. In ihrem Innern verwandelte sich eine Sorgenlast in Freude. Aber soviel Gefühl war zu anstrengend. Der Schlaf überwältigte sie, und sie registrierte kaum mehr, daß Naroin weitersprach.
»Was man leider nicht von vielen anderen behaupten kann.«
Maias Augen blieben geschlossen, und die Welt war dunkel für eine lange, stille Zeit.
Als
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