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Die Company

Die Company

Titel: Die Company Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Littell
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»Ich dachte, du hättest vielleicht gern eine Trophäe.«
    Torriti war plötzlich so müde, dass ihm die Augen zufielen. »Behalt du es, Jack. Du hast es dir verdient.«
    »Na schön, Harvey, aber wir wissen beide, wer es verdient hat.«

 
    5 Budapest,
Dienstag, 23. Oktober 1956

    E
    bby hing an einem Fleischerhaken, der in die Wand des Kühlraums eingelassen war, die Gliedmaßen taub vor Kälte, und war froh, als die Tür sich mit einem Quietschen öffnete. Bei den Verhören konnte er sich wenigstens zwischen den Schlägen im Licht der grellen Lampen aufwärmen. Ein Wachmann packte ihn um die Taille und hob ihn leicht an, während der andere sich auf eine Kiste stellte und Ebbys Jacke und Hemd vom Haken löste. Als seine nackten Füße die eisigen Bodenfliesen berührten, hob Ebby die Ellbogen, so dass sie ihm unter die Arme greifen und ihn leichter wegschleifen konnten. Seltsamerweise behandelten die beiden Wachmänner ihn ungewohnt sanft, und Ebby ahnte, dass irgendetwas passiert sein musste. Sie führten ihn in gemäßigtem Tempo aus dem eiskalten Raum, einen Gang hinunter und zu einem Fahrstuhl, der sie in ein höher gelegenes Stockwerk trug. Dort wurde er über einen mit Teppich ausgelegten Flur in ein geheiztes Zimmer gebracht, in dem ein Holzbett mit Laken, Kissen und Decke stand. Noch erstaunlicher war die kleine Tischlampe, die vermutlich sogar ausgeschaltet werden konnte. Außerdem sah er in einer Ecke eine Toilette und eine kleine Badewanne, und es gab ein Fenster mit Lamellenläden, durch die Verkehrsgeräusche drangen.
    Das Hupen eines Autos irgendwo auf der Straße klang wie Musik in seinen Ohren.
    Eine kleine matronenhafte Frau mit grauem Haar, um deren Hals ein Stethoskop baumelte, klopfte an die Tür und trat ein. Sie lächelte Ebby kurz an und untersuchte ihn dann. Sie horchte sein Herz ab, schob ihm ein Thermometer unter die Zunge und überprüfte, ob er Rippenbrüche davongetragen hatte. Dann massierte sie ihm Arme und Beine, um den Blutkreislauf wieder in Gang zu bringen. Bevor sie ging, desinfizierte sie die Striemen auf seiner Brust, rieb das zugeschwollene Auge mit einer Salbe ein und legte ihm zwei Tabletten hin, die er vor dem Schlafengehen einnehmen sollte. Eine andere Frau brachte ihm frische Kleidung und ein Tablett mit Essen – eine Schale klare Fleischbrühe, eine Scheibe Brot, ein Teller mit Gulasch und sogar eine in Zellophanpapier eingewickelte Süßigkeit. Ebby trank die Fleischbrühe, die seinem schmerzenden Hals wohl tat, und nahm ein paar Bissen von dem Gulasch. Dann humpelte er zum Fenster und starrte durch die Lamellen auf die Straße hinunter. Dem Licht nach zu schließen, musste es später Nachmittag sein. Es waren nicht viele Autos zu sehen, aber die Straße war voller junger Leute, die alle laut rufend in eine Richtung liefen. Ein Lastwagen mit Studenten auf der Ladefläche, die ungarische Fahnen schwenkten und irgendwelche Parolen skandierten, fuhr ebenfalls in diese Richtung.
    Ebby ging zurück zum Bett, schaltete das Licht aus, zog sich komplett aus und ließ seine schmutzigen Sachen einfach auf den Boden fallen. Er stieg ins Bett, streckte seinen schmerzenden Körper langsam unter der Decke aus und begann erneut, Fragen zu formulieren.
    Wieso fing der AVH auf einmal an, ihn mit Glacéhandschuhen zu behandeln?
    Hatte der KGB den bekanntermaßen höchst brutalen AVH zurückgepfiffen?
    Sollte er gegen einen KGB-Offizier, der in amerikanische Hände gefallen war, ausgetauscht werden?
    Und was war mit diesen jungen Leuten draußen auf der Straße? Wollten sie zu einem Fußballspiel oder zu einer Parteiveranstaltung? Wohl kaum, denn ihm war aufgefallen, dass Hammer und Sichel aus den Fahnen herausgeschnitten worden waren, die die Studenten auf dem Lastwagen geschwenkt hatten.
    In den frühen Morgenstunden klopfte es leise an der Tür. Einen Moment später ging die Lampe an. Ebby setzte sich schwerfällig auf und zog die Decke unters Kinn. Ein zwergenhafter Mann – Ebby schätzte ihn auf kaum einen Meter fünfzig – mit Spitz- und Schnurrbart und dunkel geränderter Brille in dem runden Gesicht schob sich einen Stuhl heran. Als er sich setzte, berührten seine Füße kaum den Boden. Er bot Ebby eine Zigarette an. Als der ablehnte, nahm der Besucher selbst eine und steckte sie sich zwischen die auffällig dicken Lippen. Er zündete sie an, inhalierte tief und wandte den Kopf ab, um den Rauch auszustoßen. »Nennen Sie mich Wassili«, sagte er mit russischem Akzent.

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