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Die Company

Die Company

Titel: Die Company Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Littell
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entfaltete sie und zeigte ihm die Route. Dann nahm sie seine Hand und wiederholte ihre Bitte. Der Fahrer sah kurz auf seine Armbanduhr, nickte dann resigniert, und Elizabet, mit Tränen in den Augen, dankte ihm überschwänglich.
    Die Flüchtlinge zwängten sich in den Hohlraum, den man hinten auf der Ladefläche in einen Berg Stroh gemacht hatte. Die Bauern legten Bretter über sie und packten Strohballen darauf. In der Dunkelheit lehnte Elizabet den Kopf an Ebbys Schulter. Er legte den Arm um sie und zog sie näher an sich. Aneinander geschmiegt, hörten sie, wie der Motor des Skoda stotternd ansprang.
    Gut drei Stunden lang kurvte der Laster in westlicher Richtung über holprige, unbefestigte Straßen, um Städte und Dörfer zu meiden. Gegen zehn spürten die Flüchtlinge, dass der Wagen auf eine gepflasterte Straße einbog und wenige Augenblicke später hielt. Der Motor wurde abgestellt. Jemand kletterte seitlich am Laster hoch, und Hände nahmen zuerst die Strohballen, dann die Bretter weg. Plötzlich tat sich ein wolkenloser Sternenhimmel über ihnen auf. Die Flüchtlinge kletterten hinaus, um sich ein paar Minuten die Beine zu vertreten. Ein paar verschwanden in der Dunkelheit, um zu urinieren. Der Wagen stand im Fahrzeugschuppen eines landwirtschaftlichen Kollektivs; Arbeiter im Blaumann bildeten eine Kette und begannen, aus einem Dieselbehälter Plastikkanister zu füllen, die sie in den Tank des Lastwagens leerten. Elizabet blickte sich nervös um. Eine kräftige Frau erschien in der Tür des Schuppens. An der Hand hielt sie ein mageres kleines Mädchen mit kurz geschnittenem, aschblondem Haar. Das Mädchen trug einen viel zu großen Mantel und presste eine Puppe fest an sich. Als die Kleine Elizabet entdeckte, schrie sie auf und warf sich ihr in die ausgebreiteten Arme. Sobald der Tank des Lasters gefüllt war, erklärte der Fahrer, sie hätten keine Zeit zu verlieren, da sie spätestens um drei Uhr den Mann treffen mussten, der sie über die Grenze führen würde. Die kräftige Frau sank auf die Knie und drückte das Mädchen an sich. Dann umarmten sie und Elizabet sich. Ebby hob die Kleine auf die Ladefläche des Lasters und über die Strohballen in den Hohlraum. Als der letzte Ballen auf den Brettern über ihren Köpfen zurechtgerückt wurde, beugte Elizabet sich zu Ebby und flüsterte: »Das ist meine Tochter Nellie.« Sie deutete auf Ebby und sagte leise etwas auf Ungarisch zu Nellie. Nellie hielt sich an ihrer Puppe fest und nickte.
    Nellie schlief auf Elizabets Schoß ein. Die Minuten verstrichen quälend langsam, während der Laster weiter über Landstraßen Richtung Westen fuhr. Von Zeit zu Zeit schaltete einer kurz eine Taschenlampe an, und Ebby sah seine geisterhaft aussehenden Gefährten. Manche schliefen, andere starrten mit weit aufgerissenen Augen vor sich hin. Kurz nach ein Uhr morgens hielt der Wagen erneut, und die Flüchtlinge hörten Stimmen, die mit dem Fahrer sprachen. Elizabet wagte kaum zu atmen und reichte Ebby ihren Revolver. Er tastete nach den Patronen in der Trommel, um sich zu vergewissern, dass eine unter dem Schlagbolzen war. Zoltán flüsterte ihm ins Ohr: »Ungarische Straßensperre, nicht russische. Alles in Ordnung. Fahrer sagt ihnen, sollen nicht unter Stroh nachsehen, weil dann alle aufwecken. Soldaten lachen und fragen, wie viele. Fahrer sagt achtzehn, ein Kind und ein Baby. Soldat bittet um Zigaretten, sagt, wir sollen auf russische Grenzpatrouillen aufpassen, und wünscht Glück.«
    Weiter rumpelte der Lastwagen über unwegsame Straßen. Gegen halb drei bog er ab und hielt in der Nähe eines Flusses. Wieder wurden die Strohballen weggenommen, und die Flüchtlinge kletterten vom Wagen. Elizabet machte ein Taschentuch im Fluss nass und wusch zuerst Nellies Gesicht, dann das eigene.
    »Ich hab Hunger«, sagte Nellie auf Ungarisch. Der Professor hörte das und bot ihr das letzte Stück seines Käsebrots an.
    Kurz darauf hörte Ebby das gedämpfte Klappern von Hufen auf einem Feldweg, und Augenblicke später tauchte ein Mann mittleren Alters auf, der Reitstiefel, Reithosen und eine Lederjacke trug und einen graubraunen Hengst am Zügel führte. Er stellte sich auf Ungarisch mit dem Namen Márton vor. Die Flüchtlinge drängten sich um ihn, während er leise sprach.
    »Er sagt, es sind vierzig Minuten zu Fuß bis zur Grenze«, übersetzte Elizabet für Ebby. »Wir müssen durch ein Gebiet, das von der ungarischen Armee kontrolliert wird. Falls sie uns entdecken, werden

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