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Die Company

Die Company

Titel: Die Company Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Littell
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sie hoffentlich nichts unternehmen. Er sagt dem jungen Paar, sie sollen dem Baby Schlafpulver geben. Er streitet mit den anderen – er sagt, mit Gepäck wären wir zu langsam. Aber der Puppenspieler besteht darauf – er sagt, sein ganzes Leben steckt in diesen Koffern. Ohne sie kann er im Westen nicht existieren. Márton sagt zu ihm, wenn er nicht Schritt halten kann, ist das sein Problem. Er sagt, wir sollen uns direkt hinter ihm und seinem Pferd halten. Er kennt den Weg durch die Minenfelder. Er geht ihn schon seit Wochen jede Nacht.«
    Márton holte ein Fläschchen mit Schlafpulver hervor, und das junge Paar schüttete etwas davon dem Baby in den Mund. Die anderen suchten die Wertgegenstände aus ihrem Gepäck und warfen den Rest weg. Als sie losgingen, sah Ebby, wie der Puppenspieler sich mit seinen Riesenkoffern abmühte. Er streckte den Arm aus und nahm einen davon.
    Der zartgliedrige Mann brachte ein schwaches Lächeln zustande. »Danke, Mister«, flüsterte er.
    Dichter Bodennebel legte sich um die Flüchtlinge, als sie die Sicherheit des kleinen Wäldchens verließen. Sie überquerten die Landstraße 10 von Budapest nach Wien und gingen über weite Felder, die mit niedrigen Steinmauern eingefasst waren. Von dem eisigen Wind froren alle bis auf die Knochen. Raureif knisterte unter den Füßen. Irgendwo rechts von ihnen heulte ein Hund den Mond an, und andere Hunde im Umkreis fielen mit ein. Ein Leuchtgeschoss zerplatzte lautlos über der Landstraße und schwebte an einem Fallschirm zur Erde zurück. Mártons Pferd schnaubte in dem plötzlichen Licht und scharrte leise mit den Hufen. Die Flüchtlinge blieben wie angewurzelt stehen. Márton stieg auf eine niedrige Mauer und beobachtete angestrengt den Horizont. Schließlich sagte er etwas.
    »Er meint, die Russen verfolgen wahrscheinlich andere Flüchtlinge, die weiter nördlich über die Grenze wollen«, erklärte Zoltán.
    Als der Lichtschein wieder schwächer wurde, winkte Márton sie weiter. Der Dirigent, der unmittelbar vor Ebby ging, drehte sich zu ihm um. Sein knöchellanger Ledermantel war tropfnass vom Nebel. »Kennen Sie vielleicht Mahlers Kindertotenlieder? «, fragte er. Als Ebby verneinte, sagte er: »Die hätte ich heute Abend in Budapest dirigieren sollen.« Seine Wangen bebten, als er fassungslos den Kopf schüttelte. »Wer hätte gedacht, dass es einmal so weit kommt?« Dann wandte er sich um und stapfte weiter über die eisigen Felder.
    Nellie, die auf Ebbys Schultern saß, tippte ihm auf den Kopf. »Mir ist kalt«, flüsterte sie. Er verstand, was sie meinte.
    »Wir sind bald da«, sagte Elizabet beruhigend zu ihr.
    Nach etwa einer halben Stunde tauchte am Fuß eines sanften Hangs ein weiß gekalktes Bauernhaus auf. Es erhob sich plötzlich aus dem Nebel wie eine Fata Morgana. Márton versammelte die Flüchtlinge um sich und sprach leise auf sie ein. Einige reichten ihm die Hand.
    »Er sagt, hier trennen sich unsere Wege«, übersetzte Elizabet. »Das Bauernhaus liegt genau hinter der österreichischen Grenze. Dort bekommen wir eine heiße Suppe. Wenn wir uns ausgeruht haben, müssen wir noch zwei Kilometer weiter, bis zu einem Dorf, in dem eine Rote-Kreuz-Station eingerichtet worden ist.«
    Als Márton sich auf den Rückweg machte, kam er dicht an Ebby vorbei. Die beiden sahen sich kurz in die Augen, und Ebby gab ihm die Hand. »Ich danke Ihnen«, sagte er.
    Márton nickte und sagte etwas auf Ungarisch. Elizabet erklärte: »Er bittet dich, Ungarn nicht zu vergessen, wenn du es verlassen hast.«
    »Sag ihm, ich werde Ungarn nie vergessen – und ihn auch nicht«, erwiderte Ebby.
    Márton schwang sich behände auf sein Pferd, wendete es und verschwand im Nebel. Zoltán übernahm die Führung der Gruppe und marschierte auf das Bauernhaus zu. Als sie auf halber Höhe des Hangs waren, tauchten vor ihnen plötzlich fünf Männer in schweren Armeemänteln aus einem Entwässerungsgraben auf. Jeder von ihnen hielt ein Gewehr im Anschlag. Zoltán griff nach seinem gebogenen Messer. Ebby hob Nellie von den Schultern und stellte sie hinter sich, dann zog er Elizabets Revolver aus der Tasche. In der Stille hörte man den Professor ein Gebet murmeln. Einer der fünf Soldaten ging auf Zoltán zu und fragte ihn etwas.
    Elizabet atmete erleichtert auf. »Er spricht Ungarisch«, sagte sie. »Er sagt, heute Nacht sind keine Russen in diesem Grenzabschnitt. Er fragt, ob wir Zigaretten haben, und wünscht uns Glück.«
    Die Soldaten winkten den Flüchtlingen

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