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Die Company

Die Company

Titel: Die Company Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Littell
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den eigentlichen Kern der Sache. Auf einer Ebene bin ich der Sohn eines irischen Immigranten, der sich seine Einreise in Amerika erkauft hat. Aber das ist nur ein Teil der Geschichte. Ich bin hier, weil ich hoffe, ansatzweise die Antwort auf die ewige Frage nach dem Sinn des Lebens zu finden. Anders gesagt, Roberto, ich denke, ich habe entdeckt, dass es noch etwas anderes gibt als nur Schnelligkeit, wofür es sich zu rudern lohnt.«
     
    Dick Bissells Kuba-Kommandozentrale im Quarters Eye war zum Zwecke einer, wie ein Witzbold der Company es ausgedrückt hatte, prämortalen Obduktion des als JMARC bekannten Kadavers umfunktioniert worden, einer letzten großen Lagebesprechung vor der Landung der kubanischen Freiheitskämpfer. Rund fünfzig Klappstühle waren in halbkreisförmigen Reihen vor einem Rednerpult aufgestellt worden. Auf einer Seite standen Klapptische mit Sandwiches, Mineralwasser und Thermoskannen mit Kaffee. Innen an der Tür hing ein handgeschriebenes Schild mit dem Hinweis, dass Teilnehmer sich Notizen für eine Diskussion machen konnten, sie aber vor dem Verlassen des Raumes in dem bereitgestellten Verbrennungsbehälter deponieren sollten. Dick Bissell, die Hemdsärmel aufgerollt, die Krawatte gelockert, hatte eineinviertel Stunden lang ohne Unterbrechung geredet. Jetzt zeigte er auf die Karte an der Wand und erklärte, wo sich die fünf Frachter mit der Brigade 2506 an Bord auf ihrem Weg zur Schweinebucht gerade befanden. »Wir haben D-Day minus drei«, sagte er. »Flugzeuge der Essex im kubanischen Luftraum haben keine außergewöhnlichen Truppenbewegungen festgestellt. Wir haben die U-2-Flüge über Kuba nicht erhöht, damit Castro keinen Verdacht schöpft. Der einzige Flug an D-Day minus vier hat ebenfalls keine ungewöhnlichen Aktivitäten bemerkt.«
    Ein Marineoberst in der ersten Reihe sagte: »Dick, die Fernmelder auf Swan Island haben einen deutlich erhöhten, chiffrierten Funkverkehr zwischen Point One und einigen Milizeinheiten auf der Insel registriert. Außerdem meldet das Pentagon erhöhten Funkverkehr zwischen der russischen Botschaft in Havanna und Moskau.«
    Leo meldete sich zu Wort. »Und die kubanische Exilregierung in Miami meldet, dass letzte Nacht zwei kubanische Milizsoldaten mit einem Fischerboot nach Florida geflohen sind – die beiden gehören zum 312. Bataillon, das auf der Fichteninsel stationiert ist, und von ihnen wissen wir, dass für alle Soldaten bis auf weiteres jeder Urlaub gestrichen ist.«
    Bissell nahm einen Schluck Wasser und sagte dann: »Wir wissen doch seit letztem Februar, dass der kubanische Generalstab für irgendwann Anfang April eine überraschende Übung geplant hat, um die Bereitschaft der Truppe zu überprüfen. Die Alarmbereitschaft hat doch sogar einen Codenamen.«
    Leo sagte: »Operation Culebras.«
    »Genau«, sagte Bissell. » Culebras. Schlangen.«
    »Bleibt immer noch der erhöhte russische Funkverkehr«, warf Ebby von der zweiten Reihe aus ein.
    »Der Funkverkehr zwischen russischen Botschaften in der ganzen Welt und Moskau unterliegt gewissen Schwankungen. Ich denke nicht, dass sich daraus irgendwelche Schlüsse ziehen lassen. Vielleicht hat ein russischer Chiffrierer in Havanna eine heiße Affäre mit einer Chiffriererin in Moskau.«
    »Klingt nicht sehr überzeugend«, murmelte Ebby.
    Bissell fixierte ihn. »Wie würden Sie das denn deuten, Eb?«
    Ebby blickte auf. »Es liegt in der Natur der Sache, dass sich jede noch so kleine nachrichtendienstliche Information unterschiedlich deuten lässt. Aber Tatsache ist, dass wir für jede Information, die uns vor JMARC zu warnen scheint, irgendwie eine einleuchtende Erklärung finden.«
    Und damit war es für alle Anwesenden unübersehbar: Einer der angesehensten Offiziere aus der mittleren Führungsebene der Company, ein Veteran der gescheiterten CIA-Operationen Anfang der fünfziger Jahre, Agenten hinter den Eisernen Vorhang zu schleusen, einer, der für seine Leistungen in Budapest 1956 mit dem Verdienstorden ausgezeichnet worden war, hatte Zweifel.
    Plötzlich wurde es still im Raum – so still, dass man hören konnte, wie sich ganz hinten eine Frau die Nägel feilte. Bissell sagte sehr leise: »Wollen Sie damit andeuten, dass wir nicht in der Lage sind, eine Operation kritisch zu beurteilen?«
    »Ich glaube ja, Dick, ich glaube, genau das ist das Problem – die Company hat für Kuba die Verantwortung, und deshalb verteidigt sie alle Maßnahmen, anstatt sie zu kritisieren. Keiner fragt je, ob

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