Die Company
diesen Kampf führen.«
»Ich glaube auch an Amerika, Roberto, aber Amerika hat mir nicht gesagt, wie wir fast zweihundert Kilo schwere Benzinfässer vom Schiff an den Strand bringen sollen. Und wenn wir sie nicht an Land schaffen, können die B-26 nicht von dem Flugplatz in der Schweinebucht starten, nachdem ihr ihn eingenommen habt.«
Roberto lächelte bloß. »Wenn meine Jungs den Sieg wittern, werden sie Berge versetzen.«
»Berge versetzen ist nicht nötig«, sagte Jack. »Mir würden Benzinfässer reichen.«
Ein junger Bursche brachte ihnen zwei Gläser Anejo, einen Rum, den man auf Kuba mit Kaffee trank, aber an Bord der Río Escondido ohne, weil die Kaffeemaschine defekt war. Roberto stieß mit Jack an und nahm einen Schluck. »Hast du noch mit deiner Frau sprechen können?«, fragte er.
»Ja. Der Lademeister in Puerto Cabezas hat mich sein Telefon benutzen lassen. Ganz kurz vor der Abfahrt hab ich noch eine Verbindung gekriegt.«
Jack wandte den Kopf ab und lächelte bei der Erinnerung an das Gespräch. »Ach Jack, bist du das wirklich? ich traue meinen Ohren nicht«, hatte Millie ins Telefon gerufen. »Von wo rufst du an?«
»Die Leitung ist nicht sicher, Millie«, hatte Jack gewarnt.
»Schon gut, vergiss die Frage. Ich weiß ja auch so, wo du bist. Alle hier wissen es. Und alle wissen auch, was du da machst.«
»Tut mir Leid, das zu hören«, hatte Jack ehrlicherweise geantwortet. »Wie geht’s meinem Sohn?«
»Anthony ist ein richtiger Goldjunge. Stell dir vor, gestern hat er sich zum ersten Mal ganz allein auf seine Beinchen gestellt, zur Feier des Tages, dass er acht Monate alt geworden ist. Und er ist auch wieder ganz allein hingefallen. Aber er hat nicht geweint, Jack. Er hat sich gleich wieder hochgerappelt.«
»Und wie geht’s dir, Schatz? Hältst du die Ohren steif?«
Einen Moment lang war es ganz still in der Leitung. Jack konnte Millie atmen hören. »Ich schaff es schon irgendwie«, sagte sie schließlich. »Jack, du fehlst mir so. Mir fehlt dein warmer Körper neben mir im Bett. Mir fehlt das Kitzeln von deinem Schnurrbart. Ich muss nur an Wien denken, und schon wird mir ganz anders …«
Jack hatte gelacht. »Heiliger Jesus, wenn die Verbindung sicher wäre, würde ich dir erzählen, was mir so alles fehlt.«
»Erzähl’s mir trotzdem«, hatte Millie gefleht.
In dem Moment hatte der Lademeister auf die Río Escondido gezeigt, die vertäut am Pier lag. Durch das dreckige Bürofenster konnte Jack sehen, wie die Matrosen die schweren Haltetaue lösten. »Schatz, ich muss aufhören«, hatte Jack gesagt. »Gib Anthony einen dicken Kuss von seinem Daddy. Mit ein bisschen Glück müsste ich bald wieder zu Hause sein.«
Millie hatte bedrückt geklungen. »Komm nach Hause, wann du kannst, Jack. Hauptsache, du kommst. Ich könnte es nicht ertragen, wenn –«
»Mir wird nichts passieren.«
»Jack, ich liebe dich.«
»Und ich liebe dich, Millie.« Er hatte noch einen Moment lang ihrem Atmen gelauscht und dann ganz sachte den Hörer aufgelegt.
»Was ich dich schon die ganze Zeit fragen wollte, hombre «, sagte Roberto jetzt.
»Nur zu.«
»Ich weiß, warum ich hier bin. Ich weiß, warum die hier sind«, sagte er, mit einer Hand auf die Kubaner deutend, die auf dem Deck verteilt lagen. »Ich weiß nicht, warum du hier bist, Jack.«
»Ich bin hier, weil ich den Befehl erhalten habe, herzukommen und dir die Hand zu halten, Roberto.«
»Das ist Schwachsinn, und das weißt du. Ich hab gehört, du bist freiwillig hier.«
»Für einen jungen Offizier, der befördert werden will, ist das hier ein heißer Auftrag.«
»Noch mehr Schwachsinn, hombre. «
Es war ganz plötzlich dunkel geworden, wie es für die Karibik typisch ist. Über den Spitzen der schwankenden Mäste tanzten die Sterne auf der Stelle. Die Bugwelle, voll mit phosphoreszierendem Seetang, schwappte an den Seiten des alten Rumpfes entlang. Jack kippte seinen Rum hinunter. »Am Anfang«, sagte er zu Roberto, »war es Trägheit. Ich war in Bewegung – bin in Bewegung, seit ich vor zehn Jahren nach Berlin geschickt wurde. Und ein Körper in Bewegung neigt dazu, in Bewegung zu bleiben. Dann war es Neugier, denke ich. Da, wo ich herkomme, wird man dazu erzogen, sich selbst auf die Probe zu stellen.« Er dachte an Anthony. »Man rappelt sich auf, man fällt hin, man rappelt sich wieder auf. Nur indem man sich selbst auf die Probe stellt, entdeckt man sich selbst.«
»Und was hast du entdeckt?«
»Ein Zentrum, ein Fundament,
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