Die Company
»Was vergessen?«, erkundigte sie sich.
»Ich heiße John J. McAuliffe. Meine Freunde nennen mich Jack. Ich hab mir bloß gedacht, es wäre doch wahrlich schade, im Cloud Club gewesen zu sein, ohne das Panorama genossen zu haben. Und die beste Art, das Panorama zu genießen, wäre mit Ihnen und einem Fläschchen Champagner …«
Owen-Brack legte den Kopf schief und musterte Jack gründlich. Sie sah seinen eleganten Anzug, die Cowboystiefel, die getönte Brille, das dunkle Haar.
»Ihr Schönlinge werdet eines erst dann kapieren, wenn ihr keine Schönlinge mehr seid. Dass wir uns nämlich nicht von eurer Schönheit betören lassen, sondern von Stimme und Worten, vom Kopf, nicht von den Händen.« Sie blickte ungeduldig auf die Uhr. »Hören Sie, vielleicht sollte ich Ihnen sagen, dass Owen mein Mädchenname ist«, erklärte sie ihm. »Brack ist der Name meines Mannes.«
»Macht doch nichts. Wir haben alle unsere Fehler. Ich nehm’s Ihnen nicht übel, dass Sie verheiratet sind.«
Owen-Brack fand Jack nicht lustig. »Mein Mann hat für die Company gearbeitet und ist bei einem Gefecht getötet worden, über das nie was in der New York Times stand. Ich mag mich ja irren, aber das Panorama, das Fläschchen Champagner – darum geht’s Ihnen nicht wirklich. Sie wollen wissen, ob ich bereit wäre, mit Ihnen zu schlafen. Die Antwort lautet: Ja, ich könnte es mir vorstellen. Wenn mein Mann noch lebte, wäre ich versucht, ihn mit Ihnen zu betrügen. Er hat mich hinreichend betrogen. Aber da er tot ist, stellt sich die Situation anders dar. Ich brauche keine flotte Nummer zwischendurch, ich brauche eine Liebesbeziehung. Und dafür sind Sie nicht der Typ, McAuliffe. Ich wünsche Ihnen viel Glück. Sie werden es brauchen.«
»Spione«, sagte der Ausbilder, »sind geistig völlig gesunde Menschen, die eine neurotische Obsession für Kleinigkeiten entwickeln.« Robert Andrews, wie er auf der Namenliste von S. M. Craw in der Lobby aufgeführt war, hatte, als er acht Wochen zuvor in den Unterrichtsraum geschlurft kam, die Aufmerksamkeit der Teilnehmer am Managementseminar vom ersten Augenblick an gefesselt. Über seine Laufbahn beim OSS waren nur die wichtigsten Stationen bekannt. 1944 war er mit dem Fallschirm in Deutschland gelandet, um Kontakt zu der Widerstandsgruppe aufzunehmen, die ein Attentat auf Hitler plante. Monatelang hatte ihn die Gestapo in die Mangel genommen, bis Pattons Truppen das, was von ihm übrig war, am Ende des Krieges aus Buchenwald befreiten. Bei den Folterungen war ihm die rechte Gesichtshälfte verbrannt und der linke Arm regelrecht aus dem Schultergelenk gerissen worden. Der hochgesteckte leere Ärmel seines Jacketts schlug ihm gegen die Brust, als er jetzt vor den Auszubildenden auf und ab schritt. »Spione«, fuhr er fort, »merken sich ganz genau die Einzelheiten, die ihnen eines Tages das Leben retten können. Zum Beispiel welche Seite einer x-beliebigen Straße beim aufgehenden Mond im Schatten liegt. Oder bei welchen Witterungsbedingungen ein Pistolenschuss wie die Fehlzündung eines Autos klingt.
Wir haben versucht, Ihnen einzubläuen, was unsere Arbeitgeber gern als das Rüstzeug unseres Handwerks bezeichnen«, fuhr er fort. »Tote Briefkästen, unsichtbare Schrifttechniken, Microdots, Minikameras, einen Beschatter abschütteln, Wanzen anbringen – das alles beherrschen Sie inzwischen. Wir haben versucht, Sie mit den Methoden des KGB vertraut zu machen – dass er gut aussehende junge Männer herschickt, die Sekretärinnen mit Zugang zu Geheimnissen verführen, dass seine Kontaktleute sich mit ihren Agenten lieber im Freien treffen als in Geheimwohnungen, dass ostdeutsche Spione, die im Westen operieren, mit Hilfe der Seriennummern auf Zehn-Dollar-Scheinen die Telefonnummern entschlüsseln, die sich hinter den Lottozahlen verbergen, die im Lokalsender durchgegeben werden. Aber dieses so genannte Rüstzeug bildet eben nur die Grundlagen. Darüber hinaus müssen Sie sich für jeden Einsatz neu erfinden; Sie müssen die Person werden, die der Feind niemals in Ihnen vermuten würde, was bedeutet, dass Sie Dinge tun müssen, die der Feind von einem Geheimdienstler niemals erwarten würde. Ich kenne einen Agenten, der gehumpelt hat, als er jemanden verfolgen sollte – er dachte sich, dass niemand in einem Hinkenden auf der Straße einen Geheimdienstler vermuten würde. Leider wurde der Agent geschnappt, weil er, wie dem beschatteten Mann von der Abwehr auffiel, an einem Tag mit dem
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