Die Company
die Sache selbst. Okay? Torriti.«
Jack faltete den Brief seines Chefs zusammen, steckte ihn wieder ins Kuvert und betrat den Verbrennungsraum.
Da er noch gut eine Stunde Zeit hatte, bevor die Air-Force-Maschine zurück nach Berlin flog, ging Jack in den vierten Stock, um Ebby einen Besuch abzustatten. Er klopfte an die Tür und trat ein. Ebby hatte die Füße auf die Fensterbank gelegt und starrte trübselig über die Dächer von Frankfurt, in der Hand einen alten Revolver, dessen Trommel er geistesabwesend kreisen ließ. Sein Bürokollege William Sloane Coffin war auf dem Weg nach draußen: »Vielleicht können Sie ihn ja etwas aufheitern«, sagte Coffin zu Jack, als er an ihm vorbeikam.
Ebby winkte Jack auf Bill Coffins Stuhl. »He, was führt dich denn nach Frankfurt?«
Jack fiel auf, dass die Falten um Ebbys Augen herum tiefer geworden waren, was ihn nicht nur grimmiger, sondern auch älter aussehen ließ. »Musste dem General persönlich eine Nachricht überbringen.« Jack zog den Stuhl zu Ebbys Schreibtisch herüber. »Du hast auch schon mal besser ausgesehen«, sagte er. »Willst du drüber reden?«
Ebby nagte an seiner Oberlippe. »Ich hab da eine Operation geleitet, ein Team nach Albanien geschickt«, sagte er schließlich. »Meine Albaner, alle sieben, sind tot – vier haben am Strand eine Kugel abgekriegt, die restlichen drei wurden von einem Pseudogericht abgeurteilt und an die Wand gestellt.«
»Das tut mir Leid, Ebby. Aber hör mal, ich will dein Verlustgefühl nicht runterspielen –«
»– Versagergefühl. Sag ruhig, wie es ist.«
»Nein, ich meine, wir müssen alle mal einen Schlag einstecken«, sagte Jack sanft. Er dachte an Wischnewski und dessen Frau auf der Trage. An Wischnewskis Jungen, wie er weinend ins Flugzeug gezerrt wurde und nach seinem Vater schrie. »So ist das nun mal in unserem Job.«
»Ich habe die beiden Männer verloren, die ich als Fallschirmagenten über Polen absetzen ließ – wir haben nie wieder was von ihnen gehört. Ich habe einen jungen Burschen namens Aljoscha verloren, der mit dem Fallschirm über den Karpaten abgesprungen ist. Er hat über Funk das Gefahrensignal gesendet. Er meldet sich noch immer alle zwei Wochen, aber immer mit dem Gefahrensignal – wir sind sicher, dass sie ihn gegen uns ausspielen. Wenn sie die Funkspielchen satt haben, erschießen sie ihn auch.«
Ebby hievte sich vom Stuhl, ging zur Tür und knallte sie so fest zu, dass die leeren Kaffeetassen auf seinem Schreibtisch klapperten. »Es ist eine Sache, das eigene Leben aufs Spiel zu setzen, Jack«, fuhr er fort, setzte sich auf die Fensterbank und lehnte sich gegen die Scheibe. »Es ist eine ganz andere, junge Männer in Gefahr zu bringen. Wir verführen sie und bilden sie aus und benutzen sie als Kanonenfutter. Sie sind entbehrlich. Ich will nicht sentimental werden, aber ich fühle mich – einfach beschissen. Ich habe das Gefühl, sie im Stich gelassen zu haben.«
Jack hörte geduldig zu. Er wusste, dass sein Freund nicht viele Menschen hatte, mit denen er reden konnte. Schließlich fiel sein Blick auf die Uhr. »Ach du Scheiße, ich muss los, sonst verpasse ich meinen Rückflug.«
Ebby brachte ihn hinunter zum Ausgang. »Danke, dass du vorbeigeschaut hast«, sagte er.
»Geteiltes Leid ist halbes Leid.«
»Ja, da ist was dran.« Sie gaben sich die Hand.
Als Jack am Nachmittag in der Berliner Basis die Treppe zu Torritis »Bunker« hinuntergerannt kam, brachte Miss Sipp ihn abrupt zum Stehen, weil sie mit verschränkten Armen vor der geschlossenen Bürotür ihres Bosses stand. Aus dem Büro drangen die melodischen Klänge einer Traviata -Arie. »Er hat einen Durchhänger«, verkündete sie mit Grabesstimme.
»Wieso?«, fragte Jack.
»Er trinkt Gemüsesaft.«
»Ich meine, wieso hat er einen Durchhänger?«
»Ich weiß nicht genau. Irgendwas mit dem Kontrastbrei bereitet ihm Magenkrämpfe. Sie sind sein Lehrling, Jack. Können Sie sich denken, was mit ihm los ist?«
»Vielleicht.« Er klopfte an die Tür. Als Torriti nicht antwortete, klopfte er lauter. Dann öffnete er die Tür und trat unaufgefordert ein. Miss Sipp hatte nicht übertrieben: Torriti stand das schüttere Haar in alle Richtungen, das Hemd hing ihm aus der Hose, einer seiner Cowboystiefel stand auf dem Schreibtisch, und die Griffe von zwei Revolvern schauten heraus. La Traviata war zu Ende. Torriti bedeutete Jack zu schweigen, schwang mit seinem Drehstuhl zu seiner »Victrola« herum und legte eine neue
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