Die Comtessa
Überfall steckten. Was war der Grund? Was würden sie mit dem armen Aimar machen, mit Rogier, dem
joglar?
Arnaut konnte ihn inzwischen gut leiden. Und Aimar war wie ein älterer Bruder für ihn. Hätte er versuchen sollen, ihnen zu helfen? Wie auch immer, jetzt war keine Zeit für bittere Vorwürfe.
Sie passierten eine Stelle, wo viel loses Geröll auf dem Weg lag, über das sie die Pferde mit Vorsicht führen mussten. Dabei wäre ihm beinahe der schmale Steig entgangen, der nach links abzweigte und sich weiter den Hang hinauf zwischen dichtem Buschwerk verlor. Ohne viel nachzudenken, folgte er dem Pfad.
»Wo willst du hin?«, schrie Felipe ihm nach.
Arnaut wandte sich im Sattel um. »Kommt!«, rief er. »Mit Glück merken sie nicht, dass wir abgebogen sind. Und weiter oben können wir uns vielleicht verstecken.«
Der Weg, wenn man ihn so nennen konnte, denn er war eher für Ziegen als für Pferde geeignet, führte sie in Windungen immer höher hinauf, zwängte sich zwischen hohen Büschen hindurch, durchquerte immergrüne Buchsbaumwälder, über Bergbäche hinweg und an steilen Abhängen vorbei. Graue Felsbrocken stellten sich ihnen in den Weg, oft mussten sie absteigen und die Pferde führen, manchmal war der Weg kaum noch zu erkennen. Dann zweigten wieder andere Pfade ab. Hier trieben Hirten ihre Ziegen und Schafe zur Weide. Mehrmals änderte Arnaut die Richtung, aber immer bergauf und weg vom Tal, aus dem sie geflohen waren, bis er selbst nicht mehr wusste, wo sie sich befanden.
An einem Bächlein gönnten sie sich zum ersten Mal seit Stunden eine Rast, nahmen ein paar Bissen zu sich, ließen die Pferde saufen, tranken selbst vom klaren Quellwasser.
Der Himmel hatte sich unter einer hohen Wolkendecke verdunkelt, so dass es schwer war, die Himmelsrichtungen zu erkennen. Der Sturm schien eher noch zugenommen zu haben und fegte böig und unregelmäßig über den Berghang, so dass es sich anfühlte, als würde man von einer unsichtbaren Faust geschüttelt und dann wieder losgelassen.
Auf der Höhe, auf der sie sich befanden, war der Wald einem Bewuchs von mannshohen Sträuchern und undurchdringlichem Gestrüpp gewichen. Dazwischen Felsen und Geröllhalden, von denen Staub aufwirbelte und ihnen in die Augen stach. Die Pferde standen mit gesenkten Köpfen eng beieinander und vom Wind abgewandt. Es war deutlich kälter als am Morgen.
»Glaubst du, die sind uns noch auf der Fährte?«, fragte Severin.
»Auf dem felsigen Untergrund müssten wenig Spuren zu sehen sein«, antwortete Arnaut. »Dann haben wir so oft die Bergpfade gewechselt …«
»Weiß einer, wo wir sind?«, fragte Felipe.
Arnaut lachte grimmig. »Keine Ahnung.«
»Warum nur wollten die uns auflauern?«, fragte Severin. »Wegen des Geldes? Ich kann nicht glauben, dass ein
vescoms
sich zum Räuber macht. Da waren doch genug Schätze in der Burg.«
»Bei einem Raubüberfall hätte man uns mit Pfeilen beschossen«, erwiderte Felipe. »Aber die wollten niemanden töten.«
»Und was heißt das?«
»Es gibt nur eine Erklärung. Sie wollten Ermengarda gefangen nehmen.«
»Aber das hätten sie doch auf der Burg tun können.«
»Stimmt.« Felipe dachte nach. »Wahrscheinlich sollte niemand wissen, dass der Vizegraf von Vallespir dahintersteckt, denn das würde den Katalanen nicht gefallen. Und was sagt euch das?«
»Lösegeld«, brummte Arnaut.
»Lösegeld?« Ermengarda machte ein verwirrtes Gesicht.
»Es sollte wohl wie ein Raubüberfall von Gesetzlosen aussehen. Dich hätte man irgendwo versteckt und dann heimlich mit denen verhandelt, die am meisten zahlen.«
»So eine Niederträchtigkeit kann ich kaum glauben.«
»Ist nicht so ungewöhnlich, wie du denkst«, sagte Felipe. »Warum meinst du, reist kaum ein Fürst ohne größeres Gefolge?«
»Ich denke, wir sind ihnen entkommen«, sagte Arnaut. »Hier in den Bergen können sie nicht jeden Weg und Steg absuchen. Das Gebiet ist zu groß.« Er blickte ins Tal hinunter. »Von hier hätten wir sie auch schon längst entdeckt. Fürs Erste sind wir sicher.«
»Gut, dass du uns hier heraufgeführt hast«, sagte Felipe und schlug Arnaut auf die Schulter. Von seinem früheren Unmut war nichts mehr zu spüren. Vielleicht hatten sie sich getäuscht, dachte Arnaut.
»Bin nicht umsonst in den Bergen aufgewachsen«, grinste er. »Zum Glück sind wir in zwei Abteilungen geritten. Das hat uns gerettet.«
»Außer Aimar und Rogier«, sagte Severin. »Ob sie wohl noch leben?«
Betroffen schwiegen sie und
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