Die Comtessa
Kloß in der Kehle. Was hätte er nicht dafür gegeben, sie jetzt in die Arme zu schließen.
»Bisher habe ich mich nicht eingemischt«, ließ sich
Magistra
Bertrada vernehmen. »Aber wenn hier ein Mörder frei herumläuft, dann geht mich das etwas an.«
»Kann sie mit der Verletzung reiten?«, fragte Arnaut.
»Wenn sie sich nicht überanstrengt. Aber warum …«
»Wir reiten jetzt gleich«, sagte er. »Wir können keine Stunde länger bleiben.« Die anderen sahen ihn erstaunt an. »Ich weiß, wer der Kerl ist«, gab er als Erklärung an. »Er wird nicht aufgeben. Wir müssen Ermengarda in Sicherheit bringen. Sofort.«
»Das kannst du ihr nicht zumuten«, protestierte Felipe.
Die Priorin erhob sich. »Ich glaube, ihr habt etwas Vertrauliches zu besprechen. Ruft mich, wenn ich gebraucht werde.« Mit diesen Worten bedeutete sie auch den anderen Frauen, die Gefährten unter sich zu lassen.
»Was, zum Teufel, redest du da?«, fragte Felipe, als sie allein waren.
»Es war der Kerl, der Ermengarda in Narbona mit dem Dolch bedroht hat.«
»Soll der etwa von den Toten auferstanden sein?«, spottete Felipe. »Oder siehst du Gespenster?«
»Vielleicht ist es der Teufel selbst, der uns zum Narren hält.« Arnaut schüttelte verwirrt den Kopf und bekreuzigte sich. »Aber das Gesicht habe ich nicht vergessen, glaub es mir. Sogar geträumt hab ich von ihm. Ich schwöre, es ist derselbe Mann.«
Ermengarda bewegte den Arm, um von ihrem Aufguss zu trinken, und biss sich auf die Lippe vor Schmerzen. Da war Jori zur Stelle und half ihr mit dem Becher. Nachdem sie getrunken hatte, dankte sie ihm und lehnte sich müde zurück. Nachdenklich starrte sie vor sich hin.
»Wir dachten damals, er sei einer der Wachen gewesen«, sagte sie, »und dass er uns für Eindringlinge gehalten hatte. Aber das war nicht so.«
»Worauf willst du hinaus?«, fragte Felipe.
»Er ist wie aus dem Nichts aufgetaucht, hat sich ohne ein Wort mit der Waffe in der Hand auf mich geworfen. Nun ist es klar, er wollte mich umbringen. Ich konnte es nur nicht glauben. Es schien so abwegig. Überhaupt ging alles viel zu schnell. Da ist man verwirrt. Und dann Fontfreda, der Pfeil, der Raimon getroffen hat, schien nur ein verirrter Pfeil gewesen zu sein. Jetzt aber bin ich sicher, der galt ebenfalls mir. Das heißt, dreimal hat man versucht, mich zu ermorden.« Es war eine furchterregende Erkenntnis, die ihr den Atem nahm. Sie fasste sich an die Kehle, musste tief Luft holen.
»Wer sollte so etwas tun? Und warum?« Severin machte große Augen.
Die Gefährten schwankten zwischen Wut über eine solche Ungeheuerlichkeit und dem Wunsch, sich zu irren. Konnte es denn wahr sein? Ratlos sahen sie sich gegenseitig an.
Außer Raimon. In seinen Augen funkelte der Zorn.
»La Bela«, sagte er grimmig. »Sie steckt dahinter.«
»La Bela?« Felipe zog die Brauen hoch. »Das kann ich nicht glauben. Sie ist doch ihre Mutter. Du bist verrückt.«
»Nicht Mutter … Stiefmutter«, verbesserte Ermengarda in scharfem Ton, und so wie sie es sagte, klang es wie das schlimmste aller Schimpfworte.
»Oh, sie kann jeden bezaubern«, fügte sie hinzu, als die anderen sie erstaunt ansahen. »Sie kann großzügig sein und hat gewiss ihre guten Seiten. Für Nina würde sie alles tun. Aber sie ist rücksichtslos, wenn sie sich etwas in den Kopf gesetzt hat. Ich hatte oft Angst vor ihr, obwohl ich es lange Zeit nicht wahrhaben wollte. Ihr wisst nicht, wie es für mich war, in ihrem Schatten zu leben. Ich hatte immer das Gefühl, ich müsse vorsichtig treten, ohne genau zu wissen, warum.«
»Vielleicht war sie streng mit dir«, rief Felipe, »aber warum sollte sie dich ermorden, um Gottes willen?«
»Bei meinem kinderlosen Tod erbt Ermessenda, meine Schwester. Sie wäre dann der letzte überlebende Nachkomme meines Vaters. Und somit wäre la Bela als Vormund wieder alleinige Herrscherin. Ich weiß es, denn ich habe die Vereinbarung selbst unterschrieben.«
Raimon nickte. »Frage, wem es nützt, und du findest den Täter.«
Ermengardas Gesicht nahm einen harten Zug an. »Ihr erinnert euch gewiss an den Tod meines älteren Bruders Aimeric. Ein Jagdunfall, hieß es. Auch ein Pfeil, und direkt ins Herz. Nie hat man herausgefunden, wer der Schütze war. Muss ich mehr sagen?«
Der Gedanke an solche Schandtaten ließ sie alle verstummen. Felipe dachte an seinen Vater, der ausgerechnet diese Frau liebte. Konnte der sich derart in ihr getäuscht haben, all die Jahre?
Er schüttelte den
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