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Die Comtessa

Die Comtessa

Titel: Die Comtessa Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ulf Schiewe
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zart, war es, als hätte ihn der Blitz getroffen.
    Er musste sich große Mühe geben, sich nichts anmerken zu lassen. Benommen ließ er sich wieder neben ihr auf dem Baumstamm nieder. Sie fasste seinen Arm und lehnte sich an seine Schulter.
    »Es war kein Spaß«, sagte sie »Ich habe es ernst gemeint.«
    »Ich auch.«
    »Ich weiß, dass du mich liebst, Arnaut«, flüsterte sie.
    »Natürlich tue ich das. Du bist die Herrin. Habe ich dir nicht gerade die Treue geschworen?«
    »So meine ich das nicht. Du hast mich
amor
genannt. Deine Liebe hast du mich genannt. Das sagt man doch nicht zu seiner Herrin.«
    Erschrocken fuhr er hoch. »Woher willst du das wissen?«
    »Ich habe dich gehört, als ich verwundet wurde.«
    »Aber du warst ohnmächtig.«
    »Nur halb«, gab sie kleinlaut zu.
    »Du hast nur gespielt?«
    »Es war so schön in deinen Armen.«
    »Was? Ich kann es nicht glauben.«
    »Und geküsst hast du mich auch.«
    »Es tut mir leid. Ich hätte das nicht tun sollen.«
    »Ach, du Dummkopf. Es war so schön. Küss mich wieder.«
    »Das dürfen wir nicht«, stammelte Arnaut.
    »Ich befehle es dir«, sagte sie. »Du hast geschworen, mir zu gehorchen.«
    Als er sich immer noch nicht traute, schlang sie ihre Arme um seinen Hals, streichelte sein Gesicht und küsste ihn so innig, dass sein Widerstand zerbrach und er sie endlich umfasste, fest an sich drückte und all ihre Küsse nach Herzenslust erwiderte.
    »Sag wieder
amor
zu mir«, bettelte sie.
    Mit den Lippen ertastete er die samtweiche Haut ihres Halsansatzes und flüsterte ihr alle Zärtlichkeiten und Kosenamen ins Ohr, die ihm nur einfallen wollten. Da seufzte sie wie ein zufriedenes Kätzchen und schmiegte sich fest an ihn.
    ***
    Rocafort thronte auf einem mächtigen Felsbrocken, der seinerseits einen Hügel krönte, hoch über dem Flüsschen Agli. Burgmauer und Felsen bildeten eine steile, fast zweihundert Fuß hohe Klippe über dem Fluss, die für einen Angreifer schier unmöglich zu erklimmen war. Vom Turm hatte man einen ungehinderten Blick über das ganze Tal, keinem Feind würde es gelingen, sich unbemerkt zu nähern. Unten am Fluss befand sich eine Zollstelle an der Straße, die von Kaufleuten auf ihrem Weg von Colliur und Perpinhá bis Carcassona oder Tolosa benutzt wurde. Eine willkommene Einkunftsquelle für den Burgherrn.
    Von der anderen, der Bergseite war der Anstieg sanfter, und dort oben lag das Dorf Rocafort zu Füßen der Burg. Die Hütten der Bauern waren aus einfachen Feldsteinen errichtet und zeugten doch von bescheidenem Wohlstand. Den Mittelpunkt der Gemeinschaft bildete die Schmiede, ein wenig als Gegengewicht zu den Herrschaften auf der Burg, und der Schmied, ein angesehener Mann, sprach für das ganze Dorf. Doch es gab selten Streit. Raol war zwar ein strengerer Herr als sein Vater Jaufré, aber gerecht. Äcker und Wiesen waren gut instand gehalten, Vieh und Volk wohlgenährt. Elend und Lumpen, wie in manch anderen Dörfern, sah man nicht. Dem Klan der Montalban war es gelungen, Krieg und Fehden fernzuhalten, und Gott hatte ihre Mühen belohnt, indem er sie von Hungersnot und Seuchen verschont hatte.
    Der alte
Senher
Jaufré saß hoch oben auf der Burg in seiner
aula
und hielt den Glaskelch ans Licht, um die Farbe des Weins zu prüfen. Dann kostete er genüsslich einen Schluck.
    »Ein guter Jahrgang«, sagte er. »Das warme Herbstwetter hat fürwahr nicht geschadet.«
    Hamid nickte und trank ihm zu. Obwohl sein Glaube es verbot, war er einem guten Tropfen nicht abgeneigt. Aber das lag wohl daran, dass er es mit der Frömmigkeit noch nie besonders ernst genommen hatte.
    Die
aula
war nicht groß, ein wenig dunkel und rußig, vor allem zugig im Winter, aber hier wurden nicht nur die Mahlzeiten der Burgherren eingenommen, hier hielt man auch alle wichtigen Gastmahle oder Beratungen ab, so wie heute. Es gab einiges zu besprechen, denn sosehr man sich auch auf Rocafort geehrt fühlte, dass die junge Vizegräfin von Narbona bei ihnen Zuflucht gesucht hatte, so war sie nun schon lange hier, und etwaige Folgen dieses Aufenthalts galt es zu bedenken.
    Die Köchin, eine wohlgerundete, stattliche Person in den späten Vierzigern, trat ein und begann, Jaufré eine wollene Decke um die Schultern zu legen.
    »Hör auf, mich zu bemuttern, Weib«, knurrte der und schob die Decke von sich.
    »Dann gib sie mir.« Hamid legte sie sich über den Schoß. »An euer kaltes Wetter habe ich mich noch immer nicht gewöhnt.«
    »Du willst nicht wahrhaben, Jaufré,

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