Die Comtessa
wird vielleicht Felipe ihr Gemahl und neuer Herrscher über Narbona. Er hat doch die ganze Flucht eingefädelt. Nicht ohne Hintergedanken, will ich meinen.«
Raol nahm einen tiefen Schluck, um seine Kehle anzufeuchten. So viel hatte er schon lange nicht mehr geredet.
Domna
Adela betrat den Raum und setzte sich zu den Männern.
»Worum geht es?«, fragte sie.
»Ob der junge Felipe einmal Ermengarda heiraten wird, falls es ihnen tatsächlich gelingen sollte, den Tolosaner abzuschütteln«, sagte Hamid. »Raol will ihn sich warmhalten. Aber in diesem Punkt habe ich schlechte Neuigkeiten.«
»Ich weiß schon«, sagte Adela sofort. »Sie macht Arnaut schöne Augen und nicht Felipe.«
»So ist es«, bestätigte Hamid. »Und Felipe weiß es auch. Er ist nicht glücklich darüber. Da braut sich was zusammen.«
»Verdammt«, fluchte Raol.
»Mein Sohn darf lieben, wen er will«, sagte Adela. »Daran soll auch ein Menerba nichts ändern.«
»Und wir gehören zu Tolosa«, rief Jaufré und schlug mit der Faust auf den Tisch. »Und daran wird nicht gerüttelt, solange ich lebe.« Jaufré hatte eine lange Geschichte mit den Herrschern von Tolosa. Manche munkelten, es sei um mehr als nur ein Lehen gegangen, obwohl man nichts Genaues wusste.
Raol verdrehte die Augen. »Bin ich der Einzige, der hier klar denken kann?«, fragte er gereizt.
»Sie wollen bald aufbrechen«, sagte Adela. »Nach Carcassona.«
»Für die Trencavels sieht es nicht gut aus, wie ich höre«, gab Hamid zu bedenken. »Wenn die Katalanen nicht bald eingreifen, ist es nicht weit her mit deinen Hoffnungen, Raol.«
»Ich will nicht, dass Arnaut alleine reitet«, sagte Adela. »Nicht in Gegenden, wo Krieg herrscht. Stellt ihm eine Eskorte zur Seite.«
Jaufré stimmte zu. »Brun soll mit ihm reiten. Und fünf Mann dazu.« Brun war schon seit Ewigkeiten der
capitan
der Wachmannschaft der Burg. Nicht mehr jung, aber ein verlässlicher Mann und erfahrener Krieger.
»Ich reite selbst«, sagte Raol zu aller Überraschung. »Werde doch meinen Neffen nicht allein lassen.«
Adela tätschelte ihm die Wange. »Danke, Bruderherz.«
***
»Ich werde Euch vermissen,
Midomna
«, sagte Adela.
Trotz aller Ehrerbietung hatte Adela eine natürliche, warmherzige Art, mit ihr zu reden. Mit ihrer eigenen Mutter hätte Ermengarda sich nicht wohler fühlen können. Sie fasste nach Adelas Hand.
»Mir geht es nicht anders«, erwiderte sie.
Ja, sie beneidete die Menschen hier auf Rocafort. Großvater Jaufré, der sich gern als Rauhbein gab und trotzdem so verständnisvoll sein konnte. Der oft streng blickende Raol, der sich auf seine wortkarge Art um alles kümmerte, dem die Bauern blind vertrauten. Und beim alten Hamid hatte man das Gefühl, er könne einem direkt ins Herz schauen. Arnauts Bruder hatte sie noch nicht kennengelernt, dafür aber Ada, die Schwester, ein vorwitziges Mädchen, das seine hübsche Stupsnase in alles zu stecken schien, was sie nichts anging. Und natürlich
Domna
Adela, die mit so viel Stolz auf ihren ältesten Sohn blickte.
»Ich wünschte, ich müsste niemals fort«, fügte Ermengarda hinzu. Ach, wie verlockend, all die hässlichen Dinge da draußen zu vergessen und zusammen mit Arnaut für immer hier in dieser
familia
bleiben zu dürfen. Vor allem mit Arnaut.
Wie schon oft wurde ihr schmerzlich bewusst, dass sie keine Freundin hatte, keine Frau, mit der sie sich hätte austauschen können.
Domna
Adela war so jemand, der sie gern ihre geheimsten Ängste und Gefühle anvertraut hätte, doch gleichzeitig fiel es ihr schwer.
»Ich meine …«, stammelte sie und brach dann ab, denn sie schämte sich, über Arnaut zu reden.
»Ich weiß«, sagte Adela sanft. »Ich habe Augen im Kopf. Leider kann auch eine Fürstin nicht alles haben, was sie sich wünscht. Und das tut weh.«
Bei diesen Worten lief Ermengarda eine Träne die Wange herab. Sie wischte sie nicht weg, saß nur still da und blickte aus dem Fenster, ohne wirklich etwas wahrzunehmen.
»Wenn Ihr erlaubt,
Midomna,
Ihr seid einen schweren Weg gegangen, denn die Welt wird von Männern beherrscht, und wir Frauen können nicht einfach tun und lassen, was wir wollen. Aber damit sag ich Euch gewiss nichts Neues. Ihr müsst also mit Weisheit vorgehen, die Stärken der Männer nutzen. Stellt Euch nicht gegen sie, sondern bringt sie auf Eure Seite, damit sie für Euch kämpfen. Ihr habt alle Gaben dazu. Ein starkes Herz, Klugheit, eine beredte Zunge und Geschick im Umgang mit Menschen. Wenn Ihr Euch
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