Die Comtessa
ihrer Schwester. Nina hatte ihre Ankündigung wahr gemacht. Sie teilte die bescheidenen Gemächer der Gefangenen und weigerte sich, die Schwelle ohne ihre Mutter zu überschreiten. Ninas Verhalten steigerte Ermengardas innere Zerrissenheit, was la Bela betraf.
Ob sie ihre Herrschaft mit Mord und Unrecht beginnen wolle, hatte Arnaut sie gefragt. Da hatte sie sich vor ihm geschämt, denn er hatte recht. Gerechtigkeit war gefragt, nicht zügellose Rache. Ein ordentliches Gericht sollte einberufen werden. Aber gerade an Beweisen mangelte es. Tibaut, der hätte reden können, blieb verschwunden. Sein Helfer hatte laut Aussage seine Anweisungen nur von ihm erhalten. Mehr war aus ihm nicht herauszukriegen gewesen. Seltsamerweise waren es Zwillingsbrüder, die Tibaut schon seit Jahren für heikle Aufgaben dienten. Arnaut hatte sich also nicht getäuscht, als er in Serrabona geglaubt hatte, den Mörder zu erkennen, nur dass es sich bei der Flucht aus dem Palast um den anderen gehandelt hatte. Über den Tod ihres Bruders Aimeric hatte der Mann nichts sagen können, auch nicht unter der Folter.
Was sollte sie tun? Wenn sie doch nur mit Arnaut darüber reden könnte. Er hatte eine einfache Art, die Dinge zu sehen, die aber oft das Wesentliche traf. Immer wieder kreisten ihre Gedanken um Arnaut. Wie kommt es nur, dass sich zwei Menschen umso mehr verletzen, je näher sie sich stehen?
Sie sah das altersgraue Gesicht des Erzbischofs vor sich. Der Mann wollte sie also wieder in die Knie zwingen. Aber das sollte ihm nicht gelingen. Raimon hatte recht. Sie waren schon weit gekommen. Kein Grund, sich vor dem Rest des Weges zu fürchten.
Sie schwang die Beine über die Bettkante, um aufzustehen. Sie schwankte noch ein wenig, aber Schwindelanfälle blieben aus. Und so rief sie nach ihrer Magd, um sich ankleiden zu lassen.
***
»Ich wollte mir noch mal den tollkühnen … Burschen anschauen, der mich gefangen genommen hat«, sagte Alfons, als die Wachen Arnaut in seine Gemächer führten.
»Ich hoffe,
Mossenher,
Ihr seid angemessen untergebracht.«
»Ein wenig eng, aber ich will nicht klagen.«
Alfons’ Gefängnis bestand aus einem großzügigen Tagesraum, einem Schlafraum, Kleiderkammer und einer Schlafkammer für seinen Diener, den alten Ferran. Die Fenster waren vergittert, wie überall im Palast, oder zu klein, um sich hindurchzuzwängen.
»Aus der … Küche versorgt man mich mit allem, was das Herz begehrt, ich trinke euren besten Wein aus der Corbieras, und man lässt mich Briefe schreiben. Mein
secretarius
ist ebenfalls hier irgendwo untergebracht. Es ist also erträglich.« Er rückte einen Stuhl für Arnaut heran. »Komm, setz dich her, damit wir uns unterhalten. Ich habe ja sonst nichts zu tun.«
Arnaut tat wie ihm geheißen. Alfons bat Ferran, zwei Kelche zu füllen, und stieß mit ihm an.
»Ein wahrhaft gutes Tröpfchen«, sagte er und schmatzte leicht mit den Lippen. »Da wir gerade die Corbieras erwähnen, dort bist du doch her, nicht wahr?«
»Aus dem südwestlichen Teil.«
»Ferran hier erinnert sich noch gut an deinen … Großvater, was, Ferran?«
Der alte Diener trat näher und nickte. »Ein Draufgänger und ein guter
castelan.
Ihr müsst ganz nach ihm schlagen, wenn Ihr mir die Bemerkung erlaubt.« Ferrans Lachen klang wie das Krächzen einer Krähe.
»Und wer hatte den Einfall für diesen frechen Überfall?«, wollte Alfons wissen.
»Nun.« Arnaut zögerte. Er wollte nicht zugeben, dass Großvater und Onkel Raol beteiligt gewesen waren. »Wir haben den Plan gemeinsam ausgearbeitet. Hauptsächlich
Senher
Ramon Guillem, der
capitan
der Katalanen, und
Vescoms
de Menerba.«
Der Graf ließ sich erklären, wie sie in der Nacht vorgegangen waren. Auch Ferran hörte aufmerksam zu.
»Nicht dumm«, sagte Alfons. »Wer hätte das gedacht?« Doch dann sah er Arnaut streng und durchdringend an. »Und wie kommt mein … Lehnsmann dazu, so etwas gegen mich auszuhecken? Es ist ein Treuebruch. Du weißt das.«
Der Stuhl, auf dem Arnaut saß, war ihm plötzlich unbequem geworden. Verlegen wollte er zu einer längeren Erklärung ansetzen, als er merkte, dass Alfons ihn spöttisch beobachtete und dann zuzwinkerte. »Ich wette, du hast dich in das … hübsche Ding verguckt«, sagte er.
Arnaut wurde rot, und Ferran, den niemand nach seiner Meinung gefragt hatte, murmelte angewidert etwas über die verdammten Weiber, die jeden aufrechten Kerl ruinieren, und warf dabei seinem Herrn einen vernichtenden Blick zu.
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