Die Comtessa
»Ich bin schon unendlich froh, dass ich dich habe.«
»Wir müssen darauf bestehen, dass die Beratung der Fürsten nicht ohne Beteiligung der Katalanen stattfindet. Nur sie haben genug Gewicht, um Leveson in die Schranken zu weisen. Ich will noch heute eine Botschaft senden.«
Ermengarda dachte nach. »Hast du an Bruder Aimar gedacht? Ramon Berenguer kennt ihn inzwischen. Schick Aimar. Das ist besser als ein Brief.«
Raimon nickte. »Ich werde ihn bitten, gleich morgen die Reise anzutreten.«
Ermengarda ließ sich in ihre Kissen sinken und seufzte tief. Für einen Augenblick war ihr Gesicht ein einziger Ausdruck von Trübsinn und Hilflosigkeit. Dann mühte sie sich ein Lächeln ab und fasste nach seiner Hand.
»Manchmal glaube ich, Raimon, wir sind wie Kinder, die das Spiel der Großen spielen wollen, aber nicht einmal die Regeln kennen. Bei jedem Zug werden wir übertölpelt.«
Es zog an seinem Herzen, sie so zu sehen.
»Das kann schon sein. Aber wir sind schon weit gekommen und dürfen nicht verzagen. Vor allem müssen wir zusammenhalten. Es ist ein Glück, dass Menerba dir zur Seite steht. Täglich kommen weitere Adelige zu mir, um ihren Beistand zu bekräftigen, selbst aus den Reihen des Erzbischofs. Und wenn wir die Sache richtig angehen, wird uns auch die Bürgerschaft unterstützen. Das allein wird zwar nicht genügen, aber es hilft.«
Sie nickte.
»Noch etwas. Bring die Sache mit Felipe ins Reine. Ich glaube, er wartet darauf.«
»Es ist an ihm, sich bei mir zu entschuldigen.«
»Gewiss, aber sei milde mit ihm. Er liebt dich.«
»Ich weiß.«
»Und was ist mit Arnaut? Was ist zwischen euch vorgefallen?«
»Was soll schon vorgefallen sein?«
»Es ist jedem offensichtlich.«
Als Raimon merkte, wie ihre Augen feucht wurden, sagte er: »Es tut mir leid. Ich hätte nicht fragen sollen.«
»Siehst du nicht, dass ich so eine Liebschaft nicht gebrauchen kann. Gerade jetzt, nach allem, was du mir heute gesagt hast? Es würde nur Öl auf ihr Feuer gießen. Außerdem hat er …« Sie unterbrach sich. »Ich will darüber nicht mehr reden.«
»Ich verstehe. Aber du wirst auch ihn noch brauchen. Er hat dir manchen Dienst erwiesen, und ich sähe es ungern, wenn er uns jetzt verlassen sollte.«
Erschrocken sah sie zu ihm herüber. Sie öffnete den Mund, sagte dann jedoch nichts, sondern brütete vor sich hin.
»Er wird seinen Lohn erhalten, wie andere auch.«
»Er hat etwas mehr verdient als nur einen Lohn«, sagte er in der Hoffnung, sie milder zu stimmen. Aber ihre verschlossene Miene ließ nicht darauf deuten, dass er sie erreicht hatte. Sie kann stur wie ein Maulesel sein, dachte er. Und jede vermeintliche Missachtung ihrer Person nimmt sie sich arg zu Herzen. Wahrscheinlich das Ergebnis der Jahre unter der Fuchtel ihrer Stiefmutter.
»Kann ich noch etwas für dich tun?«
Sie schüttelte nur den Kopf und sah ihn nicht einmal an, als er sich leise verabschiedete.
Kaum hatte er die Tür hinter sich geschlossen, warf sie sich auf die Seite und schluchzte in ihre Kissen. Sie weinte um ihre einsame Kindheit, um die zu früh gestorbene Mutter, um die toten Brüder und ihre Schwester Nina. Und vor allem um Arnaut und eine Liebe, die ihr nicht erlaubt war und der sie abschwören musste. Er hatte sie verletzt, vielleicht ohne es zu wollen. Aber der Groll gegen ihn würde helfen, über ihn hinwegzukommen.
Nachdem sie sich ausgeweint hatte, lag sie lange auf dem Rücken, starrte an die Decke und versuchte, Ordnung in die wirren Gedanken und Gefühle zu bringen. Das fast Unmögliche hatten sie erreicht, und dennoch schien das Ziel sich ihrem Griff erneut zu entwinden.
Trotz eindringlichen Drängens von
Domna
Anhes hatte sie auf sämtliche ärztliche Hilfe verzichtet. Kein Aderlass, Pülverchen oder Kräutertee würde ihr nützen. Sie wusste schon, warum sie krank war. Sie fühlte sich überfordert, auch wenn sie es nicht gern zugeben wollte, und hatte das Bedürfnis, sich vor der Welt zu verkriechen, zumindest für eine Weile. Vielleicht hatten die Stimmen recht, die nach einem erfahrenen Mann verlangten. War sie denn überhaupt in der Lage, über eine Grafschaft wie Narbona zu herrschen?
Sie wusste, es war an der Zeit, Gespräche mit Alfons aufzunehmen. Sie selbst aber würde nicht mit ihm reden. Raimon, der sein Geschick in solchen Dingen bewiesen hatte, sollte mit ihm verhandeln. Zusammen mit Menerba. Der würde seine Erfahrung beisteuern.
Aber am meisten versteckte sie sich vor la Bela. Und vor
Weitere Kostenlose Bücher