Die Comtessa
deinem albernen Spiel auch.«
Er erhob sich vorsichtig und versuchte unter leisem Stöhnen, die Schultern gerade zu halten. Peire Rogier lachte und verteilte die schwarzen und weißen Spielsteine wieder auf ihre Ausgangsstellungen.
»Hör auf zu fluchen«, sagte er. »Das schickt sich nicht für einen großen
senher
wie dich.«
»Ein
senher?
Was redest du da?«
»Na,
capitan
der Leibgarde, das ist doch was, oder? Und ein schönes Rittergut dazu. Sei glücklich,
ome!
«
»Wer sagt, dass ich unglücklich bin, eh?«, knurrte Severin in gespieltem Unmut. Aber dann konnte er nicht anders, und ein breites Grinsen leuchtete auf seinem Gesicht. Rogier hatte recht. Unfassbar, dass Ermengarda ihn zum Dank in den Adelsstand erhoben und ihm ihre persönliche Sicherheit anvertraut hatte. Sogar ihr Versprechen dem kleinen Jori gegenüber hatte sie wahr gemacht. Er arbeitete jetzt in ihren Ställen.
»Komm, Arnaut. Jetzt bist du dran«, sagte Rogier.
Sie spielten
alquerque,
das beliebte Brettspiel der Mauren, bei dem das Spielfeld aus jeweils fünf waagerechten, senkrechten und diagonalen Linien bestand. Jeder hatte zwölf Steine, die auf den Kreuzungspunkten aufgestellt wurden, wobei der mittlere frei blieb. Gezogen wurde von Punkt zu Punkt in jede Richtung, außer rückwärts, und geschlagen wurde durch Überspringen. Das Spiel endete, wenn einer der Spieler alle Steine verloren hatte oder es keine Zugmöglichkeit mehr gab. Je nach den restlichen Steinen wurden Punkte gezählt.
Rogier spielte schnell, scheinbar mühelos, ohne nachzudenken. Arnaut dagegen überlegte sorgfältig vor jedem Zug, aber es ging ihm nicht besser als Severin.
»Wo hast du so spielen gelernt?«, fragte er.
»Alles Übung. Hab schon oft meinen Lebensunterhalt damit verdient.«
»Du spielst um Geld?«
»Natürlich. Sogar schon mal bis zu einem
denier
pro Punkt. Nach zehn oder zwanzig Spielen kommt da einiges zusammen.«
»Einen Silberpfennig pro Punkt?« Severin riss die Augen auf. »Da kann einem ja schlecht werden.«
»Willst du es mal probieren? Wenn es um Geld geht, spielt man besser.«
»Das könnte dir so passen.«
»Ich lasse die Leute ab und zu gewinnen, sonst spielt natürlich keiner mit mir. Und verprügelt haben sie mich auch schon.« Rogier grinste wie ein Lausbub.
»Wen wundert’s?«
»Neuerdings spielt man es auch auf einem Schachbrett«, meldete sich Jaufré Rudel zu Wort, der Vierte in der Runde, »dabei darf man sich nur auf den schwarzen Feldern bewegen.«
»Es reicht mir schon so, wie es ist«, meinte Arnaut. »Und ich mach jetzt auch Schluss.«
Jaufré Rudel war am Tag zuvor in Narbona angekommen und hatte im Palast vorgesprochen. Er war, genau wie Rogier, ein
joglar
und fahrender Sänger. Sie kannten sich, und Rogier hatte bei Raimon ein gutes Wort für ihn eingelegt. Hatte
Domna
Ermengarda ihm nicht aufgetragen, die Besten an ihren Hof zu holen? Und einen besseren Poeten als Rudel gab es in der ganzen Christenheit nicht.
Während Rogier das Spiel wegräumte, warf Arnaut einen verstohlenen Blick auf den Mann. Er mochte um die dreißig sein. Und wo Rogier laut, unbekümmert und zu allen Scherzen aufgelegt war, kam dieser ihm zurückhaltend, fast verschlossen vor. Er sprach wenig, hörte umso aufmerksamer zu, wobei er meist still dasaß, die Hände in den Schoß gelegt. Das Auffälligste an seinem schmalen Gesicht waren die dunklen Augen und die empfindsame Natur, die aus ihnen sprach. Rogier hatte erwähnt, dass er adelig war, aus einem Ort an der Gironda stammte, nahe der Westküste. Nach einem Aufenthalt am Hof von Aquitania befand er sich gerade auf dem Weg nach Spanien, um mit Glück etwas von der maurischen Liederkunst zu erlernen.
»Möchtest du uns nicht etwas vortragen, Rudel?«, fragte Rogier fast ehrerbietig.
»Ich? O nein. Ich bin noch müde von der Reise. Und ich glaube, ich habe mich ein wenig erkältet.«
»Dann spiel du doch, Peire«, sagte Severin. »Sing uns das Lied vom Frühling. Mir reicht es langsam mit dem Winterwetter.«
»Also gut.« Rogier nahm die Laute zur Hand und stimmte die Saiten kurz nach. Dann füllte seine warme, rauchige Stimme den Raum.
Ab la doussor del temps novel
folhon li bosc e li auzel
chanton chascus en lor lati
segon lo vers del novel chan:
adonc esta ben qu’om s’aizi
d’aisso dont om a plus talan.
Von des Lenzes Süße singen die Vögel
im neu ergrünten Wald,
ein jedes nach seinem Latein
ganz im Takt der neuen Weise:
nur recht, dass auch der
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