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Die Comtessa

Die Comtessa

Titel: Die Comtessa Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ulf Schiewe
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ein weiteres Mal umzusehen, verließ er den Palast.
    ***
    Bei dem Empfang in der
aula
hatte es sich in der Tat um eine Art Versöhnungsgastmahl zwischen Anhängern der Katalanen und denen der Tolosaner gehandelt. Als es nach Stunden vorüber war, flüchtete Ermengarda in ihre Gemächer.
    Während Jamila ihr aus den Roben half, klopfte es, und
Domna
Anhes betrat den Raum. An ihrem steinernen Gesicht erkannte Ermengarda sofort, dass es keine gute Nachricht war, die sie brachte.
    »Was ist, Anhes?«
    »
Senher
Arnaut de Montalban hat Narbona verlassen,
Domina.
«
    Ermengardas Augen weiteten sich.
    »Woher willst du das wissen?«
    »Der junge Herr Severin hat es mir gesagt. Angeblich hat Arnaut all seine Sachen mitgenommen und nichts zurückgelassen.«
    Ermengarda taumelte und fasste sich ans Herz. Sie war totenbleich geworden und zitterte am ganzen Leib.
    »Was ist Euch, Herrin?«, rief Jamila besorgt.
    »Wie kann er das tun?«, flüsterte sie und ließ sich auf den nächstbesten Stuhl sinken. Diesmal war es das Ende. Das spürte sie genau. »Wie kann er mich verlassen?«
    Domna
Anhes umfasste ihre bebenden Schultern, zog sie an sich, strich ihr über das Haar und wiegte sie sanft.
    »Immer sind sie von mir gegangen«, hauchte Ermengarda. »Alle, die ich je geliebt habe.«
    »Aber dieser hier ist noch nicht weit«, sagte
Domna
Anhes ungerührt, wie immer nüchtern, zweckmäßig denkend. »Schickt ihm einen Reitertrupp nach. Nehmt ihn gefangen. Holt ihn zurück.«
    Ermengarda nahm einen tiefen Atemzug. Das Zittern ließ langsam nach. Sie befreite sich aus
Domna
Anhes’ Umarmung und stand auf, sichtlich um Fassung bemüht.
    »Nein«, sagte sie leise. »Es ist besser so.«

Liebe aus der Ferne
    A ndusa liegt nordwestlich von Nimes in den Bergen der Cevenas, eine Gegend geprägt von wildschönen Schluchten, rauher Witterung und wortkargen Menschen.
    Eine ähnliche Beschreibung hätte auch auf jenen Bernard,
Senher
d’Andusa, gepasst, den man als Ermengardas Ehemann ausgesucht hatte. Ein kantiger Mann in den frühen Dreißigern, schweigsam und zurückhaltend, eher unauffällig und seit langem Witwer.
    Sein verstorbenes Weib war ihm lieb und teuer gewesen, und da sie ihm zwei gesunde Söhne und eine Tochter hinterlassen hatte, war die Nachfolge nicht in Gefahr. Sich neu zu vermählen, war daher nie seine Absicht gewesen. Bernard war ein Vetter der Herrscher von Montpelher und als Lehnsmann auch dem
Vescoms
Roger de Trencavel verbunden. Dadurch konnte er als eher unbefangen gelten, was die großen Mächte, Tolosa und Barcelona, betraf. Dies und die Tatsache, dass er nie politischen Ehrgeiz gezeigt hatte, machten ihn zum bevorzugten Mann für dieses Possenspiel der Mächte.
    Gegen eine beträchtliche Summe Gold hatte man ihn überredet, seinen Namen der Herrscherin von Narbona als Gemahl zur Verfügung zu stellen. Sobald Alfons Jordan die Ungültigkeitserklärung seiner Vermählung mit Ermengarda und die Aufgabe all seiner Ansprüche unterzeichnet hatte, wurde das Paar von
Paire
Imbert in der Kapelle des
palatz vescomtal
getraut, unaufgeregt und im Stillen.
    Ermengarda wagte ihrem Zukünftigen kaum in die Augen zu sehen. Auch Bernard d’Andusa wusste während der feierlichen Handlung nicht recht, wohin mit seinen Händen, und zu Ermengardas Erleichterung wurde auf den Brautkuss verzichtet. Als letzten Akt zeigte man sich kurz dem Volk von Narbona auf der Zinne des Palastes, man dankte Bernard überschwenglich für sein Verständnis und richtete ihm und seinen Begleitern ein kleines, aber vorzügliches Gastgelage, an dem auch der Graf von Barcelona aus Höflichkeit teilnahm.
    Bernard verbrachte zwar eine Nacht im Palast, aber in einem anderen Flügel. Am nächsten Morgen verabschiedete er sich etwas steif von Ermengarda, um auf seine Besitzungen zurückzukehren und dort sein ruhiges Leben als Edelmann vom Lande fortzuführen.
    Nur wenigen waren die Einzelheiten der schriftlichen Abmachung bekannt, in denen er auf sämtliche Ansprüche verzichtete, die sich unter normalen Umständen aus einer solchen Verbindung ergeben hätten. Weder Mitgift noch Titel standen ihm zu, jede Einmischung in die Herrschaft der Vizegrafschaft war ihm untersagt, Erbschaft ausgeschlossen, ja nicht einmal der Vollzug der Ehe war ihm ohne ausdrückliche Zustimmung der Gemahlin gestattet, selbst wenn ihm danach der Sinn gestanden hätte.
    Als er nach Norden ritt, atmete Ermengarda erleichtert auf und hoffte, ihn nie wiederzusehen. Endlich, endlich war

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