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Die Comtessa

Die Comtessa

Titel: Die Comtessa Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ulf Schiewe
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dass Euch alle bewundern sollen? Wo bleibt der Mensch in Euch, die Frau, die Liebe?«
    »Sie ist nicht für mich.«
    »Tort n’avetz, Midomna.«
Er schüttelte traurig den Kopf. »Unrecht habt Ihr, unrecht, sag ich, ganz und gar unrecht. Ihr seid eine Frau und keine Heilige. Man kann dem Herzen nicht befehlen, ohne daran zugrunde zu gehen. Wisst Ihr denn nicht, dass alle Welt Euch liebt und Euch nur Gutes wünscht? Niemand wird schlecht von Euch denken. Geht doch endlich zu ihm!«
    »Aber singt ihr
joglars
nicht immer von den Wonnen der unerfüllten Liebe?«, fragte sie mit einem bitteren Unterton. »Nun hab ich sie doch, eure Liebe aus der Ferne.«
    »Ach, Ermengarda. Dummes Zeug. Glaubt nicht an so etwas. Das sind nur Lieder, nicht das Leben.«
    Wütend starrte sie ihn an.
    »Mein Vater hätte keine Liebschaft geduldet.«
    Da musste Rogier lachen. »Ihr seid schon sehr klug,
Domna
Ermengarda. Aber einiges müsst Ihr noch lernen. Auch Euer Vater war kein Heiliger.«
    »Woher willst du das wissen?«
    Rogier antwortete lange nicht. Dann sagte er: »In unserer Welt bestimmen Macht, Geld und Einfluss, wer wen heiratet. Für Liebe bleibt da nichts. Und doch ist sie das Stärkste, das der Mensch besitzt. Also muss sie im Verborgenen blühen. Aber blühen tut sie. Wie ein Unkraut vielleicht, aber nicht totzukriegen.«
    Sie stieß ihn vor die Schulter. »Rede nicht so.«
    »Ihr liebt Arnaut, und er liebt Euch. Und das geht niemanden etwas an.«
    Sie saßen noch lange zusammen im Dunkeln, ohne ein weiteres Wort zu sagen. Sie dachte an die Wälder der Corbieras, durch die sie im Herbst geritten waren. Die Schluchten und die weißen Felsen. Das war Arnauts Heimat. Dort musste jetzt der gelbe Ginster blühen und die Düfte von Thymian und Rosmarin über den Hängen liegen.
    Sie merkte es kaum, als Rogier aufstand, seine Laute nahm und die
aula
verließ. Erst als sie die Tür ins Schloss fallen hörte, sprang sie hoch, lief auf den Gang hinaus und rief lautstark nach Severin.
    »Herrin?«
    »Wir reiten.«
    »Wohin?«
    »Nach Rocafort. Und zwar sofort.«
    »Jetzt? In der Nacht?«
    »Du kennst doch den Weg, oder?«
    Da lachte er auf. »Na klar.«
    »Beeil dich. Ich bin im Nu reisefertig.«
    Rogier, der sich noch auf der Treppe befand und den lauten Wortwechsel mitbekommen hatte, grinste zufrieden in sich hinein. Von jetzt an und in guter Erinnerung an diesen denkwürdigen Tag werde ich dich, meine liebe
domina,
in all meinen Liedern nur noch
Tort-n’avetz
nennen, dachte er. Ja, das gefiel ihm. Ein guter Name. Unrecht hat sie, aber endlich eingesehen. Und das ist ein Sieg für uns alle, die sie lieben.
    Ermengarda eilte in ihre Gemächer, wartete nicht einmal auf Jamila, zog sich um, warf wahllos Dinge in ihre Reisetasche, frische Leinenwäsche, Kleider, Kamm, Spiegel, duftende Seife, Schmuck.
    Ihren Ovid durfte sie nicht vergessen. Sie konnte es kaum erwarten, ihn gemeinsam mit Arnaut zu lesen. Bei dem Gedanken, wie Corinna endlich das Lager des Geliebten zu teilen, liefen ihr heiße Schauer über den Rücken.
    Inzwischen rief Severin seine Männer zusammen, packte in der Eile ein paar Satteltaschen, warf sich in seinen Panzer, griff Schwert und Helm und rannte hinunter in den Hof.
    »Jori, hol deine Sachen. Wir reiten.«
    Und als seine Männer sich gewappnet sammelten, die Pferde sattelten und aus den Ställen führten, rief er sie noch einmal alle zu sich. »Ihr wisst, wohin es geht. Wenn mir einer von euch Kerlen den Schnabel nicht hält … ich reiß ihm die verdammte Zunge aus dem Hals. Verstanden?«
    »Keine Sorge,
Capitan
«, lachten sie und warfen sich vieldeutige Blicke zu. So ein Abenteuer machte Spaß. Besser als Wache schieben.
    Und dann war Ermengarda mitten unter ihnen. Angetan in formlosen Männerkleidern, das weinrote Seidentuch um den Hals geknotet, genau wie damals bei ihrer wilden Flucht. Ihr Gesicht leuchtete vor Erwartung, und ihre Zähne blitzten im Licht der Fackeln. Sie schnallte ihre Tasche hinter den Sattel, packte die Zügel ihrer Stute und saß auf.
    »Na los! Was trödelt ihr?«
    Ohne auf eine Antwort zu warten, stieß sie dem Pferd die Fersen in die Seite und stob aus dem Tor, vorbei an den erstaunten Wachen.
    »Putan!«,
fluchte Severin. »Das Weib ist nicht zu bändigen.«
    Dann schwang er sich grinsend auf den eigenen Gaul und folgte seiner
vescomtessa
an der Spitze ihrer bewaffneten Eskorte.

Anhang

Anmerkungen des Autors
    F rauen durften nach fränkischem Rechtsverständnis erben, allerdings

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