Die Comtessa
Niederschlagung des Volksaufruhrs hatte sein Freund eine Abneigung gegen Alfons entwickelt. Vielleicht war diese unbegründet, aber Arnaut wurde nachdenklich. Severins Worte nährten seine eigenen Zweifel, denn Felipes unversöhnliche Haltung gegenüber Tolosa war offensichtlich. Und was bedeuteten seine Heimlichtuereien? War er in etwas verwickelt, das gegen den Grafen von Tolosa gerichtet war?
»Ich hab mein Wort gegeben«, erwiderte er lahm.
Sie ritten nebeneinanderher, während jeder seinen Gedanken nachhing. Arnaut musste sich eingestehen, dass er nicht nur geschmeichelt gewesen war, sich einem Felipe de Menerba anzuschließen, sondern auch einer schönen Fürstentochter zu dienen. Da hatte er keine weiteren Fragen gestellt, aus Furcht, Felipe könnte es sich anders überlegen.
»Und bekommen wir Zugang zum Palast?«, brach Severin das Schweigen, wie immer der zweckmäßig denkende Kopf.
»Ich glaube nicht.«
»Wie wollen wir uns dann nützlich machen?«
»Felipe ruft uns, wenn er uns braucht.«
Severin schüttelte den Kopf. »Und Sold gibt es auch keinen«, brummte er.
Sie waren wieder bei Jori angelangt, der mit den Zügeln des Maultiers in der Hand etwas verloren dastand. In den neuen Kleidern war er kaum wiederzuerkennen. Man hätte ihn für den Sohn eines ehrbaren Handwerkers halten können. Nur der ungepflegte Haarschopf und die Schuhe, die er an den Schuhriemen verknotet über der Schulter trug, widersprachen diesem Eindruck.
»Was läufst du wieder barfuß?«, fuhr Severin ihn an.
»Sie drücken mich.«
»Das tun neue Schuhe immer.« Severin beugte sich vom Pferd herunter und fuhr dem Jungen mit rauher Hand durch die Locken. »Zieh sie besser wieder an, damit sie sich anpassen.«
Zu Arnauts Überraschung tat Jori wie ihm geheißen und dies ganz ohne freche Bemerkungen. Als Severin ihm dann den Arm reichte, zog der Junge sich behende hinter ihn auf die Kruppe der Stute und grinste zufrieden.
In gemächlichem Schritt kreuzten sie die niedrigen, dünn mit Strandhafer bewachsenen Dünen und machten sich auf den Heimweg. Das Land war flach wie ein Pfannkuchen, von Sumpfland und Brackwassertümpeln unterbrochen, in denen die unterschiedlichsten Vogelarten nach Nahrung suchten. Vorrangig die seltsam anmutenden Flamingos mit gebogenen Schnäbeln, langen Stelzbeinen und weißrosa Gefieder.
Aus dieser Einöde ragten felsige und dicht mit Nadelgehölz bewachsene Hügel wie Fremdkörper heraus. Auf einem dieser Felsbrocken, am Wasser gelegen, thronte die erzbischöfliche Burg Gruissan, in deren Schutz der Seehafen lag ebenso wie das gleichnamige Dorf. Hier lebten Fischer und Salzbauern, wie Jori ihnen erklärte.
»Am Ende des Sommers, zur Salzernte, gibt es hier bezahlte Arbeit«, sagte er, nachdem sie einige Gräben überquert hatten, die bis ins Meer liefen.
»Salzernte?«, fragte Severin ungläubig. »Das Salz wächst doch nicht auf Feldern.«
»Nicht auf Feldern, aber hier in den Salinen.«
Er zeigte auf die ausgedehnte Wasserfläche, an der sie vorüberritten und die durch schmale, flache Dämme in rechteckige Teiche unterteilt war, ein jeder kaum mehr als eine Handbreit tief. Er erklärte ihnen, wie die Salzbauern im Frühjahr genügend Meerwasser in die äußeren Teiche ließen. Sobald die Sonne eine gewisse Menge Wasser verdunstete, leiteten sie den Rest ganz langsam in das nächste, immer ein wenig tiefer gelegene Becken. Und so ging es weiter, bis die Brühe am Ende so dick wurde, dass sich das Salz in einer weißen Kruste absetzte.
»Man muss es nur noch herausschaufeln und an der Sonne trocknen. Dann ist es gut.«
»Und du Wicht hast hier gearbeitet.«
»Nur bei der Ernte. Es muss dann alles schnell gehen, damit das Salz nicht verregnet. Es wird in Säcke geschaufelt, und die Händler karren es fort.«
»Es ist ein großes Geschäft in Narbona«, fügte Arnaut hinzu.
Sie ritten weiter. Nachdem sie die Salzgärten hinter sich gelassen hatten, musste Arnaut noch einmal über Felipes ungereimtes Anliegen nachdenken. Wer würde einer so jungen
donzela
schaden wollen?
»Vielleicht ist das Ganze wirklich Unsinn«, sagte er.
Überrascht blickte Severin auf. »Und? Kehren wir also heim?«
»Geht nicht.«
»Warum nicht?«
»Weil wir eine Verabredung haben. Morgen wird Felipe
Domna
Ermengarda auf der Jagd begleiten, und ich soll mitreiten. Er will mich vorstellen.«
Jori starrte sie beide mit offenem Mund an, und auch Severin hob höchst erstaunt die Augenbrauen.
»Jes Maria!«,
sagte
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