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Die Comtessa

Die Comtessa

Titel: Die Comtessa Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ulf Schiewe
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Hebräer auswiesen. Zwischen den eng stehenden, zwei- oder dreistöckigen Häusern herrschte fröhlich lärmendes Leben. Schuhmacher, Töpfer und andere arbeiteten vor der Haustür, kleine Kinder tollten zwischen den Beinen der Großen, während freundliche Sticheleien von einem Haus zum anderen flogen. Vor den Läden der Händler stapelte sich ein vielfältiges Angebot, das oft die halbe Gasse einnahm, so dass man achtgeben musste, wo man hintrat.
    Am südlichen Ende des Judenviertels wurde es ruhiger und die Häuser vornehmer. Unweit der Synagoge erreichten sie endlich das Stadthaus der Menerbas. Es lag gegenüber der Kirche Nostra Domna de la Major und war ein großes, dunkles Gebäude mit breiter Front und einigen wenigen vergitterten Fensteröffnungen. Ein breites Tor öffnete sich zu einem Innenhof, der auf der gegenüberliegenden Seite durch Pferdestallungen begrenzt war. Eine Steintreppe führte zum Hauseingang im ersten Stock hinauf, und kaum waren sie in die Diele getreten, als eine rückwärtige Tür sich öffnete und ein ungeduldiger Felipe ihn begrüßte.
    »
Mercé de Dieu!
Da bist du ja endlich!«
    »Warum die Eile?«
    »Komm erst mal herein.«
    Felipe führte ihn in eine große Stube mit holzgetäfelten Wänden und einem lebhaften Feuer im Kamin. Verstohlen sah er sich um. Polierte Fliesen, gediegene Möbel mit bronzenen Beschlägen, wertvolle Wandteppiche und schwere silberne Kerzenhalter. All dies vermittelte den Eindruck jahrhundertealten, gediegenen Reichtums, doch ohne Gepränge oder aufdringliche Opulenz, eine eher verhaltene Pracht, die nur der Bequemlichkeit und stillen Freude der Bewohner dieses Hauses dienen sollte. So also lebten die Großen des Landes.
    »Wein für unseren Gast«, rief Felipe dem Diener zu und stellte Arnaut dann einen jungen Mann vor, der sich erhoben hatte und wie Felipe nicht älter als zwanzig Jahre zählen mochte.
    »Dies ist mein Freund Peire Raimon de Narbona. Wir nennen ihn nur kurz Raimon, denn es gibt schon zu viele Peires in der Stadt.« Er grinste kurz und fuhr dann fort: »Seine Familie ist den Vizegrafen lehnsverpflichtet, pflegt aber auch ausgezeichnete Beziehungen zu den großen Kaufmannsfamilien und den jüdischen
cambiadors.
«
    Arnaut fragte sich, warum Felipe den Umgang mit Kaufleuten und Geldwechslern hervorhob, konnte er selbst diesen Leuten wenig abgewinnen. Jedes Jahr zogen die Wein- und Olivenhändler durch die heimatlichen Berge, und jedes Jahr fluchten die Gutsherren wie sein Onkel Raol, dass man sie mal wieder übers Ohr gehauen habe. Für Arnaut waren Kaufleute nichts als gieriges Krämervolk, das dem Landadel das letzte Silber aus den Taschen raubte. Er nahm aus der Hand des Dieners einen gefüllten Becher entgegen und ließ sich auf dem angebotenen Stuhl nieder. Auch die anderen setzten sich und tranken ihm zu.
    »Es rumort in der Stadt«, eröffnete Felipe das Gespräch.
    »Am Wassertor gab es erneut einen Auflauf«, nickte Arnaut.
    Der junge Raimon de Narbona schien ihn aufmerksam zu mustern. Er war kleiner als die beiden anderen, von untersetzter Gestalt und etwas weichen, aber klugen Gesichtszügen. Er schenkte Arnaut ein freundliches Lächeln, ohne jedoch etwas zu sagen.
    »Ein schwerer Rückschlag«, murrte Felipe mit düsterer Miene.
    »Du meinst die Hochzeitspläne des Grafen?«, fragte Arnaut.
    »Was sonst?« Felipe zog die Mundwinkel herab. »Mein Alter zieht sich auf seine Landgüter zurück, während la Bela die Vizegrafschaft verschachert. Vorher große Worte, jetzt will er angeblich mit alldem nichts zu tun haben.«
    Raimon grinste listig. »Ein gutes Angebot vielleicht?«
    »Wahrscheinlich«, sagte Felipe angewidert. »Das ist das Elend mit dem alten Adel. Nur auf den eigenen Vorteil bedacht. Für das Schicksal der Stadt, für die Gemeinschaft der Bürger haben sie wenig übrig, außer es betrifft ihre angestammten Rechte oder ihre Geldsäckel. Wie Raimon sagt, der Tolosaner muss sie alle bestochen haben.«
    Eine Weile lang hörte man nur das Knacken und Knistern im Kamin, bis Arnaut sich endlich vorwagte, das anzusprechen, was ihn bewegte.
    »Ich nehme an,
Domna
Ermengarda wird jetzt meine Dienste nicht mehr benötigen«, sagte er. »In ein paar Tagen werde ich dann wohl heimreisen.«
    Felipe starrte ihn verständnislos an. Dann setzte er sich plötzlich ruckartig auf. »Auf keinen Fall«, rief er. »Ich zähle auf dich. Jetzt mehr denn je.«
    »Du solltest ihn endlich einweihen, Felipe«, sagte Raimon und lächelte Arnaut

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