Die Comtessa
wieder freundlich zu.
»Aber natürlich. Verzeih mir!« Felipe nahm einen tiefen Schluck Wein, um sich zu sammeln, dann lehnte er sich vor und blickte Arnaut eindringlich in die Augen.
»Die Dinge liegen so. Gestern am späten Nachmittag ist es Ermengarda für eine Weile gelungen, der Aufsicht ihrer Anstandsdame zu entkommen und sich mit mir im Hof des Palastes zu treffen. Dabei hat sie mir alles erzählt. Am Sonntag gab es anscheinend einen fürchterlichen Streit mit ihrer Stiefmutter. Die
vescomtessa
hat sich plötzlich für eine völlige Kehrtwende entschieden und zwingt Ermengarda, den Grafen zu heiraten.«
Arnaut nickte. »Und warum der Streit?«
»Weil Ermengarda sich weigert.«
»Sie weigert sich?«
»Ich mach es kurz. Sie will noch vor der Hochzeit fliehen, um alles zu vereiteln.«
»Fliehen?«, fragte Arnaut entgeistert. Er traute seinen Ohren nicht. Eine junge
donzela
floh doch nicht vor ihrer Hochzeit. Schon gar nicht bei der Verbindung großer Grafschaften. Er schüttelte den Kopf. So etwas gab es einfach nicht.
»Hat das etwa mit dir zu tun? Willst du sie entführen?«, fragte er.
Das kam ja gelegentlich vor. Obwohl nur bei Paaren, die einander versprochen und deren Familien sich seit langem einig waren. Ein wilder Brauch aus alten Zeiten zur Belustigung der Beteiligten. Eine ernsthafte Entführung dagegen … nun, das konnte nur mit Blut enden.
Felipes Augen weiteten sich vor Überraschung.
»Ich? Nein, nein! Nicht, was du denkst. Es hat nichts mit mir zu tun. Sie will nicht, dass Narbona in Alfons’ Hände fällt. Sie schulde es ihrem Vater, sagt sie, und den guten Bürgern der Stadt. Das ist doch edel von ihr, findest du nicht?«
Arnaut war viel zu erstaunt, um zu antworten.
»Die Arme braucht Hilfe«, fügte Felipe rasch hinzu. »Wer würde sie schon unterstützen? Außer uns hat sie niemanden.«
»Uns?«
»Na ja. Ich zähle selbstverständlich auf dich. Wir müssen uns überlegen, wie wir ihre Flucht zustande bringen. Es muss möglichst lange unbemerkt bleiben. Raimon hier wird uns helfen. Er dient im Hofstaat der Vizegräfin und hat Zugang zum
capitan
der Palastwache.«
»Wohin will sie denn fliehen, um Gottes willen?«
»Nach Carcassona, wohin sonst?«
Auch Raimon nickte eifrig. »Die Trencavels wie auch Guilhem von Montpelher sind strikt gegen eine solche Verbindung.«
»Woher wisst ihr das?«
»Das weiß hier jeder. Niemand im Land will, dass Alfons zu mächtig wird. Die Trencavels und andere rüsten schon seit einer Weile ihr Heer. Bei ihnen wäre Ermengarda sicher.«
Arnaut schwindelte es. »Und ich soll dabei helfen?«
»So ist es!«, grinste Felipe und schlug ihm auf die Schulter. »Es wird ein Heidenspaß!«
»Ein Heidenspaß? Und wie habt ihr euch das gedacht?«
»Ganz einfach! Raimon besticht die Wachen. Wir verkleiden Ermengarda als Knappen. Du holst sie da raus, und ich warte mit den Pferden vor der Stadt.«
»Ich soll sie aus dem Palast holen?«, fragte er benommen.
»Es geht nicht anders. Mich kennt man dort. Dich dagegen können wir als Wache verkleiden und unbemerkt einführen. Raimon bleibt zurück und stellt sicher, dass die Sache nicht zu schnell auffällt. Niemand wird etwas merken, du wirst sehen.«
Mit einem Mal dämmerte es Arnaut, warum Felipe einen fremden Trottel wie ihn brauchte. »Verdammt!«, rief er. »Wenn sie mich erwischen, bin ich des Todes.«
»Ach!« Felipe machte eine wegwerfende Handbewegung. »Du schmuggelst für sie Männerkleider rein. Damit wird sie nicht zu erkennen sein. Und dann marschierst du einfach mit ihr da raus. Niemand wird etwas merken, ich verspreche es. Und später, wenn die Katze aus dem Sack ist, dann sind wir längst über alle Berge und auf halbem Weg nach Carcassona.«
Arnaut stellte seinen Becher ab. Ihm war nicht nach Wein zumute. »Wenn es so einfach ist, warum kommt sie nicht verkleidet, aber allein aus dem Palast?«
»Nun ja. Sie muss ja durch die ganze Stadt bis vor die Tore laufen. Dabei könnte etwas Unerwartetes passieren, wer kann das wissen? Und dann brauchte sie einen starken Arm. Wenn es dir lieber ist, werde ich schon auf der Brücke auf euch warten.«
Er lehnte sich vor und funkelte Arnaut mit breitem Grinsen an. Die Sache schien ihm wirklich Spaß zu machen. »Das ist doch mal ein Abenteuer für rechte Kerle, oder? Das kann man sich doch nicht entgehen lassen!«
Arnaut starrte ihn schweigend an. Gleichwohl was Felipe sagte, ein Spaß war das bestimmt nicht. Eher ein Spiel mit dem Tod.
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